Folia Theologica et Canonica 1. 23/15 (2012)
SACRA THEOLOGIA - Zoltán Rokay, Leo Scheffczyk und die Tübinger Schule
LEO SCHEFFCZYK UND DIE TÜBINGER SCHULE 109 letztere (die Philosophie des alten Schellings - Z. R.) will noch insbesondere das bisher vergeblich gesuchte ächte Verständniss des Christentums gefunden haben und der Menschheit für die Zukunft jene große Leiterin werden, die bisher die Kirche war. Einheit und Allgemeinheit, diese Wahrzeichen der göttlichen Stiftung und Leitung der katholischen Kirche, sollen fortan durch Philosophie erzielt, auf vorzüglichere, sein geistige Weise erzielt werden. Wo aber ist jemals eine wahrhaft einigende Kraft von ihr ausgegangen, wo hat sie je mehr als Secten gestiftet? Ja die meisten Philosophien haben es in ihrer Imbeci- lität nicht einmal so weit gebracht! Weg also mit diesen Träumereien von der Macht einer Wissenschaft, die sich stets als so unmächtig erwiesen.“73 VII. SCHELLING ALS „ANREGER“ DER TÜBINGER SCHULE74 Die Qualifizierung: „Anreger“ stammt von Scheffczyk.75 Er kommt auf den Namen Schellings öfter zurück, und weist jeweils auf seine Beziehungen mit der Tübinger Schule, auf seinen Einfluss auf dieselbe hin. Manche Theologen des 20. Jahrhunderts fanden die Beschäftigung mit Schel- ling aktuell, und hielten sie der Mühe wert. Es sei auf die Namen wie Paul Tillich76, Walter Kasper77 und Klaus Hemmerle78 hingewiesen. Dabei wird die Bedeutung Schellings für die Tübinger Schule unterstrichen.79 Scheffczyk erblickt die Vermittlerrolle Schellings zwischen Romantik und der Theologie der Tübinger Schule, welche nach der „Dürre des Rationalismus“ eintrat. Wichtiger als diese allgemeine Beurteilung ist, welche auch Kritik er73 Ebd. 74 Die Forschung - und Scheffczyk selbst gibt zu, dass Schleiermacher bei der Entwicklung der Tübinger, welche immer stärker in die Richtung Hegels neigte, eine ebenso bedeutende „Rolle“ gespielt hat. 75 Vgl. Scheffczyk, L. (Hrsg.), Theologie inAußruch und Widerstreit, XIII. 76 Vgl. Tillich, P., Mystik und Schuldbewusstsein in Schellings philosophischer Entwicklung, Gütersloh 1912. Tillich, P., Schelling und die Anfänge des existentialistischen Protestes, in Zeitschrift für philosophische Forschung (1955) 197-208. 77 Vgl. Kasper, W., Das Absolute in der Geschichte. Philosophie und Theologie der Geschichte in der Spätphilosophie Schellings, Mainz 1965. Vorwort: „Die Anregung zu einer theologischen Untersuchung über den deutschen Idealismus gab die Beschäftigung mit der reichen Gedankenwelt der Theologen der Tübinger Schule des neunzehnten Jahrhunderts, in die mich mein verehrter Lehrer, Professor Dr. J. R. Geiselmann und Professor Dr. F. X. Arnold schon während meiner Studienzeit eingeführt haben (...) In besondererweise danke ich meinem Habilitationsvater Herrn Prof. Dr. L. Scheffczyk sowie Herrn Professor Dr. H. Küng und Herrn Professor Dr. W. Schulz (...)“. 78 Vgl. Hemmerle, K„ Zum Verständnis der Potenzenlehre in Schellings Spätphilosophie, in Philosophisches Jahrbuch (74/1), Halbband 1966. 99-111. 79 Vgl. Anm. 75.