Folia Canonica 8. (2005)

STUDIES - Matthias Pulte: Die Instruktion des päpstlichen Rates zur Interpretation der Gesetzestexte, Dignitas Connubii vom 25.1.2005 - die neue EPO zum CIC/1983

134 MATTHIAS PULTE Art. 291 § 2 DC fuhrt aus der gegenwärtigen italienischen Kanonistik die paral­lelen Begriffe der äquivalenten oder substantiellen Konformität ein.29 Es handelt sich hier wohl mehr um eine Deskription. Einen rechtserheblichen Unterschied zwischen diesen beiden Adjektiven kann man aber nicht erkennen, da sich die Äquivalenz stets auf die substantiell übereinstimmende Bewertung des Beweis­materials bezogen hat. Auch die neue Norm klärt durch ihre Formulierung nicht eindeutig, ob eine äquivalente Konformität bereits durch ein Dekret iSv c. 1682 § 2 erklärt werden kann oder ob es dafür eines Urteils bedarf. Hier besteht also weiterhin Interpretationsbedarf. Wenn das Ziel einer äquivalenten Konformität darin besteht, einen Prozess zu verkürzen und eben nicht in eine neue Beweis­aufnahme einzusteigen, erscheint es der Sache nach widersinnig, zuerst ein ne­gatives Dekret zu fertigen, einen förmlichen Prozess zu eröffnen, dessen Be­weisaufnahme ohne tatsächliche Beweisergänzung wieder abzuschließen, um dann in einer neu anberaumten Sitzung zum Urteil zu schreiten, über das sich der amtierende Turnus eigentlich schon bei der Dekretsitzung einig war. Der Begriff decisio (Entscheidung) in Art. 291 §§ 2 und 3 DC meint m.E. nicht nur die Entscheidung durch Urteil. Die offiziöse deutsche Übersetzung bietet hier keine Hilfe, weil sie nicht nah genug am lateinischen Text erfolgt. Sie übersetzt decisio einschränkend mit Urteil. In der kodikarischen Tradition sind unter den Begriff decisio aber sowohl Gerichtsurteile als auch Verwaltungsent­scheidungen zu fassen.30 Dekrete im Ehenichtigkeitsprozess werden ebenso da­von begrifflich miterfasst, weil es sich dabei, wenn auch nicht um Urteile, so doch um Gerichtsentscheidungen im weiteren Sinne handelt. Es liegt daher nahe, in einem solchen Fall eine äquivalente Urteilsbestätigung durch Dekret ausreichen zu lassen. Gern. Art. 265 § 4 DC muss ein bestätigendes Dekret we­nigstens summarisch jene Begründung enthalten, die das Tribunal zur Erlan­gung der moralischen Gewissheit geführt hat. Das heißt: Das Berufungsgericht entscheidet aufgrund der Stellungnahmen der Ehebandverteidigung und ggf. der Parteien, soweit sie Berufung eingelegt haben, darüber, ob es Einwände gegen das Verfahren oder die Sachentscheidung der Vorinstanz gibt, die eine Dekretbe­stätigung unmöglich machen, weil der Turnus die erforderliche, jeden vernünfti­gen Zweifel ausschließende Gewissheit nicht erreichen kann.31 Anders als bis­29Cf.Codice di Diritto Canonico commentato (...), a cura della redazione di Quaderni di diritto ecclesiale, Milano 2001, 1283 f. 30 Cf. R. Köstler, Wörterbuch zum Codex luris Canonici, München, Kempten 1927, 106. Im CIC/1983 wird der Begriff auch nicht auf Urteile beschränkt angewandt; Cf z.B. die cc. 48, 51, 115 § 2, 1406 § 1, 1460 § 2, 1609 §4+5,1645 § 2 n.5. Selbst im Prozessrecht fällt auf, dass decisio häufiger unspezifisch als spezifisch für Urteile verwendet wird. 11 Cf. Lüdicke,DignitasConnubii,a.a.O.,334. Ebensoder,in: MKCICc. 1682Rdn. 14. Rich­tig ist, dass nicht in erster Linie aus den Akten durch die Berufungsinstanz moralische Gewissheit gewonnen wird, sondern, dass sich die 2. Instanz zuerst damit auseinandersetzt, ob sic aufgrund des vorgelegten Urteils und der Akten zu einer Bestätigung des Urteils gelangen kann.

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