Folia Canonica 6. (2003)
STUDIES - Helmuth Pree: Die politische und gewerkschaftliche Betätigung geistlicher Personen im CIC (1983) und im CCEO (1990)
36 HELMUTH PREE derung in das Arbeitsleben auch, dessen Zwängen, Gesetzmäßigkeiten und Spannungen sowie den Gegebenheiten ausgesetzt zu sein, die sich den herrschenden Ideologien und gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen verdanken.111 Gewerkschaftlicher Einsatz verlangt deshalb von einem Religiösen einerseits eine besondere Kenntnis der pastoralen Perspektiven seines Einsatzes sowie der Grenzen und Risiken, selbst instrumentalisiert zu werden.112 Da die Religiösen Träger und Verkünder der menschlichen und christlichen Werte sind, müssen sie solche gewerkschaftliche Handlungsweisen und politische Maßnahmen meiden, die nicht im Einklang mit den Erfordernissen der Gerechtigkeit stehen, für die allein sie sich einzusetzen haben.113 c) Ausnahmen Die beiden Verbote des can. 287 §2 C/C/can. 383,1° CCEO stehen unter dem Vorbehalt, dass nach dem Urteil (iudicium) der zuständigen kirchlichen Autorität ein derartiger parteipolitischer oder führender gewerkschaftlicher Einsatz erforderlich wäre, entweder zum Schutz der Rechte der Kirche (Ecclesiae iura) oder zur Förderung des bonum commune. Im Unterschied zu can. 283 § 1 ; 285 §4; 286 CIC wird hier nicht von der „licentia” der zuständigen Autorität gesprochen, sondern es wird auf die Einholung eines Urteils (iudicium) der Autorität abgestellt und es werden die für die Bildung dieses Urteils maßgeblichen Kriterien angegeben. Obwohl sich für den betreffenden Kleriker oder Religiösen ein positives Urteil de facto wie eine Erlaubnis auswirkt, so besteht doch zwischen licentia und iudicium ein vom Gesetzgeber intendierter Unterschied: Im Falle des iudicium bleibt die Eigenverantwortung des politisch oder gewerkschaftlich Handelnden voll gewahrt, mit anderen Worten: Dieser Einsatz soll in keiner Weise der Kirche als solcher bzw. der kirchlichen Autorität zugerechnet werden können und als ein konkret politisches Handeln im Aufträge der Autorität erscheinen.114 Im Falle einer licentia hingegen wäre die Verbindung zur erlaubnisgewährenden Autorität ungleich enger; die Autorität müsste sich das von ihr erlaubte politische bzw. gewerkschaftliche Handeln in gewisser Weise zurechnen lassen. Das Urteil kann fiir einen Einzelfall, aber auch für einen nach generellen Merkmalen umschriebenen Kreis von Klerikern und/oder Religiösen gegeben werden. 111 „Puö accadere, per questo, che, net condividere la condizione operaia per esservi testi- mone della sollecitudine pastorale della Chiesa, il religioso si trovi coinvolto in una visione dell'uomo, della società, della storia, dello stesso mondo dei lavoro, ehe non corrisponde ai criteri di giudizio e alle direttive d'azione che sono contenuti nell'insegnamento sociale dei Magistero. Ne deriva ehe una simile missione domandaparticolari attenzioni e garamié”: Instruktion (Anm. 31) Nr. 9. 112 Instruktion (Anm. 31 ) Nr. 10. 113 Instruktion (Anm. 31 ) Nr. 11 c. 114 ANDRÉS, Derecho (Anm. 79) 497 (Nr. 694).