Folia Canonica 6. (2003)
STUDIES - Helmuth Pree: Die politische und gewerkschaftliche Betätigung geistlicher Personen im CIC (1983) und im CCEO (1990)
DIE POLITISCHE UND GEWERKSCHAFTLICHE BETÄTIGUNG 29 einen wurde jede Erwähnung einer Dispens- oder Erlaubnismöglichkeit eliminiert; zum anderen wurde anstelle der milderen Befehlsform „ne assumant” (dürfen nicht übernehmen) die strikte Verbotsform „assumere vetantur” gesetzt.77 Die Frage, ob von der Vorschrift des can. 285 §1 C/C/can. 383,1° C/CderDiöze- san-bzw. Eparchialbischof unter Berufung auf can. 87 §1 CICI can. 1538 §1 CCEO dispensieren kann, wird unterschiedlich beantwortet. J. DE OTADUY hält auf Grund des imperativen und keiner Ausnahme Raum lassenden Wortlauts die Möglichkeit einer Erlaubnisgewährung für ausgeschlossen.78 J, ANDRÉS weist auf die Möglichkeit einer Dispens durch den Heiligen Stuhl hin.79 H. J. F. REINHARDT sieht „bei Vorliegen ganz besonderer Umstände politischer oder gesellschaftlicher Art” eine Dispenserteilung durch den Diözesanbischof gem. can. 87 § 1 CIC als zulässig an.80 Im Ergebnis damit übereinstimmend auch J. E. LYNCH.81 Diese Auffassung ist die zutreffende, denn gemäß can. 87 §1 bedarf die Reservation der Dispensbefugnis einer speziellen, und damit dem Gesetz eindeutig zu entnehmenden Anordnung (specialiter”). Auf Grund der vom Gesetzgeber geübten Zurückhaltung gegenüber der Möglichkeit einer derartigen Dispens ist den Dispensvoraussetzungen gern. c. 87 § 1 und can. 90 § 1 CIC besondere Beachtung zu schenken. 77 Angesichts dieser Strenge überrascht es, dass das Verbot mit keiner Strafdrohung bewehrt ist, während die Verletzung des Verbotes gern. c. 286 CIC (Ausübung von Handel oder Gewerbe durch einen Kleriker oder eine Ordensperson ohne Erlaubnis der zuständigen kirchlichen Autorität) ein strafrechtliches Delikt darstellt: c. 1392 CIC. Allerdings könnte eine Strafe verhängt werden, nachdem sie durch ein praeceptum poenale (c. 1319 CIC) oder durch ein partikulares Strafgesetz auf Grund c. 1315 §1 CIC angedroht worden und ihm nicht gehorcht worden ist: Ein Beispiel dafür bietet das vom Metropolitangericht Genua am 20.7.1985 gegen einen Priester wegen fortgesetzter und trotz formeller Ermahnung nicht beendeter parteipolitischer Aktivitäten erlassene Strafurteil (suspensio a divinis und Verbot klerikaler Kleidung usque ad resipiscentiam). Es stützt sich auf can. 1371,2° CIC (qualifizierter Ungehorsam), wobei auch die Verletzung der can. 273; 285 §§1 und2sowie287 §2 als Delikte bewertet werden. Letzteres ist unzutreffend, da es sich bei diesen um bloße Verletzung von klerikalen Pflichten ohne Strafsanktion handelt. Vgl. L. M. DE Bernardis, Una sentenza fuori del tempo, in IDE 98 (1987) 342-349. 78 J. de OTADUY, in Comentario exegético II369; ähnlich: T. RlNCÓN, in Codigo Pamplona 51992,221 (c. 285). 79D. J. Andres, Derecho de los religiosos, Madrid 41985,484 (Nr. 671). 80H. J. F. Reinhardt, in MKCIC, c. 285, Rdn. 4. 81 Lynch, in New Commentary (Anm. 54) 377: „However, John Paul IPs adamant opposition to priests and religious serving in public office would urge a bishop to use great caution in evaluating the 'just and reasonable cause' required for a dispensation (c. 90).” Der Autor weist auch daraufhin, dass das MP De Episcoporum Muneribus (1966) IX 3, b eben diese Dispens dem Heiligen Stuhl reserviert hatte. Diese Reservation sei aber nicht in das geltende Recht eingegangen.