Folia Canonica 6. (2003)

STUDIES - Nándor Birher: Die Communio als Grund der richterlichen Entscheidung in dem Kirchenrecht

114 NÁNDOR BIRHER Manifestationen absurder Wirklichkeit, sondern sind Teile desjenigen Prozes­ses, den wir Geschichte nennen, und den wir nur im Zusammenhang mit dem Endziel erklären können. In dieser Geschichte muss man die Aufgabe der kirchlichen Rechtsordnung finden, und der Richter muss in dieser Geschichte die sich ihm erschließenden Tatsachen deuten4. All das kann er nur, wenn er die vor ihn gebrachte Klage nicht nur einfach als statische Angelegenheit betrachtet, sondern als ein Prozess, der aus der Vergangenheit genährt und auch eine Wirkung auf die Zukunft haben wird. Diese Wirkung führt uns zum zweiten Gesichtspunkt, der die Deutung der rechtlichen Entscheidung in sich selbst als unmöglich erweist5. Diese Entschei­dungen sind nie prinzipiell, sondern haben auch eine pastorale Wirkung, nicht rein abstrakte, im Ganzen logisch deduzierbare Vorgänge, sondern das Leben der Gemeinschaft beeinflussende Faktoren. Diese Entscheidungen müssen im Alltag der Gemeinschaft wirken, nicht einfach durch die Schaffung der formel­len Rechtsicherheit6, sondern durch die Schaffung der essentiellen Rechtsicher­heit, mit dem Wunsch nach Wahrheit und nach dem Heil der Seelen7. Es ist also deutlich, dass die Tatsache, der geschichtliche Moment, der in der Form der Kla­ge vor den Richter gebracht wird, im Vergleich zum letzten Ziel notwendig zu­fällig bleibt und nicht Anspruch auf absolute Gültigkeit erheben kann. Im kano­nischen Recht ist die Entscheidung des Richters viel mehr als ein einfaches logi­sches Netz, das den Anspruch erhebt, die Tatsache in ihrer Ganzheit, mit den Rechtsvorschriften zu umfangen8. Die Entscheidung ist also die Wandlung zu et­was, bildet den dynamischen Teil des Unterwegsseins9. All das kann man nur, wenn man bewusst den eröffneten Horizont der Heilgeschichte bekennt und ihm folgt10 11. Diese Handlung verwirklicht sich in der Kirche, im Dienst des Wortes und der Sakramente". 4M. Kehl, Die Kirche, eine katholische Ekklesiologie, Würzburg 1993, 132-138. 5 G. WALTER, Freie Beweiswürdigung. Eine Untersuchung zu Bedeutung, bedingungen und grenzen der freien richterlichen Überzeugung, Tübingen 1979, 262-264. 6 E. Mazzacane, II giudicato e la certezza del diritto, in Raccolta di scritti in onore di Arturo Carlo Jemolo Vol I., Milano 1963, 886. 7 Mazzacane, II giudicato (nt. 6), 886. 8 E. CORECCO, „ Ordinatio rationis “ oder „ Ordinatio fidei “? Anmerkungen der Defini­tion des kanonisches Gesetzes, in IKZ - Communio 6 (1977) 481-495. ’E. CORECCO, Theologie des Kirchenrechts. Metodologische Ansätze, Trier 1980, 99. I0P. Erdő Bevezetés a kánoni jogba, Budapest 1989, 27; S. Horváth, Hitvédelmi ta­nulmányok, Budapest 1943, 77. 11 E. Corecco, Das Urteil im kanonischen Recht, in L. C. Morsak - M. Escher, Fest­schrift für Louis Carlen zum 60. Geburtstag, Zürich 1989, 244.

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