Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Peter Landau: Einführung in 'Peter Erdő', Die quellen des Kirchenrechts

208 PETER LANDAU der Bayerischen Staatsbibliothek, auf einer in Rom um 500 angelegten universa­len Rechtssammlung beruhte.5 Erdős Darstellung macht uns deutlich, dass das abendländische Kirchenrecht des Mittelalters weitgehend auf griechisch-byzan­tinischem Erbe beruhte. Indem er anders als viele Autoren auch keinen Ein­schnitt zwischen Frühkirche und nachkonstantinischer Reichskirche macht, be­tont er die Kontinuität der kanonischen Tradition und relativiert die Bedeutung der konstantinischen Wende, den Einfluß Konstantins des Großen. Damit hängt auch zusammen, dass er sehr klar die Bedeutung der Tradition und des Gewohn­heitsrechts für die Entwicklung des frühen Kirchenrechts hervorhebt.,Traditio apostolica“, der Titel der um 218 entstandenen ersten kirchlichen Rechtssamm­lung des Abendlandes, ist für Peter Erdő ein Schlüsselbegriff, und ich meine, dass hier die Geschichte des kanonischen Rechts eine Wegweisung bietet, die auch der moderne Kanonist beachten sollte. Die,Sacra potestas“ des kirchlichen Gesetzgebers ist anders als die mit der Volksouveränität legitimierte potestas des weltlichen Gesetzgebers durch die Traditio apostolica begrenzt und gleich­zeitig gerechtfertigt. Die stets klar präsentierten Daten der Quellengeschichte erhalten bei Erdő durch die Berücksichtigung kultureller Trennlinien besondere Akzente. So hebt er z.B. die besondere Rechtstradition der vor-chalkedonischen Kirchen hervor, die sich auf dem Konzil von Chalkedon 451 von Konstantinopel und Rom ge­trennt haben. Auch ihre Rechtssammlungen werden in Erdős Quellengeschichte erwähnt - die in Ägypten nach wie vor selbstbewusst und eigenständig existie­rende koptische Kirche bewahrt ein eigenes Rechtserbe. Die Zeit der Karolinger mit großen Reformkonzilien, Rezeptionen antiker Rechtssammlungen und nicht zuletzt raffiniert angelegten Rechtsfälschungen ist bei Erdő eine eigene Periode, die er grundsätzlich positiv bewertet - Erdő verwendet den Begriff der,kaiserli­chen Reform“ neben dem der gregorianischen Reform“, was den Ergebnissen der modemen Mediaevistik entspricht und vielleicht 2001 gerade in Berlin ge­würdigt werden kann, in der Nachbarschaft Magdeburgs, wo soeben die große Ausstellung über Otto I. veranstaltet wird, der wohl mehr als jeder andere dazu beitrag, dass das Erbe der Karolingerzeit nicht verlorenging. Dieses Erbe hat seit der Jahrtausendwende auch Ungarn erreicht, und Un­garns Rechts- und Geschichtsquellen sind eng mit der Geschichte des kanoni­schen Rechts verbunden. Hierzu bringt Peter Erdős Buch reiche Informationen. Ungarn, Peter Erdős Heimat, ist ein europäisches Land, dessen Geschichte in be­sonderer Weise durch das kanonische Recht beeinflusst wurde. Zu den ältesten Geschichtsquellen Ungarns gehören päpstliche Dekretalen, d.h. höchstrichterli- che Entscheidungen, die von Papst Alexander III., dem großen Gegenspieler 5 Cf. hierzu meinen Aufsatz, Kanonessammlungen in Bayern in der Zeit Tassilos III. und Karls des Grossen, in Festschrift Kurt Reindel, Regensburg 1995, 137-160.

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