Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

GEWALTENUNTERSCHEIDUNG STATT GEWALTENTRENNUNG 195 Eine derartig umnfassende Kompetenz der Verwaltung, die Rechtslage für Einzelfälle zu gestalten, ist im weltlichen Recht wegen der Grundsätze des Vor­behalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) nicht möglich. dd) Die Gewalteneinheit hat ferner zur Folge, daß es im kanonischen Recht eine umfassende Möglichkeit gibt, von der Bindungswirkung eines Gesetzes zu befreien (s. cc. 85 ff. CIC). Die Dispens wird kraft ausführender Gewalt ge­währt.92 Dispensiert werden kann nur von einem kirchlichen, nicht etwa einem göttlichen Gesetz. Durch die Dispens wird daher die durch kirchliches Recht normierte Hinderung der Ausübung eines bestehenden Rechts beseitigt.93 Die Gewährung der Dispens setzt einen gerechten und vernünftigen Grund voraus (c. 90 CIC). Durch sie soll erreicht werden, daß im Einzelfall die Gerechtigkeit wiederhergestellt wird bzw. unbillige Härten vermieden werden94. Ziel einer Dispens ist es daher, dem geistlichen Wohl sowie der Teilnahme der Gläubigen an der Gemeinschaft zu dienen.95 ee) Gemäß c. 31 CIC können allgemeine Ausführungsdekrete erlassen wer­den. Zuständig hierfür sind Inhaber ausführender Gewalt. Durch allgemeine Ausführunsgdekrete werden Gesetze konkretisiert und interpretiert; sie können jedoch keine über diese hinausgehenden Pflichten auferlegen.96 Soweit sie den Wortlaut des Gesetzes überschreiten, sind sie unwirksam(c. 33 § 1 CIC). Allge­meine Ausführungsdekrete werden als Beispiel für die rechtsschöpferische Ver­waltung genannt,97 die einem Gesetz nahe kommen98 und sind deswegen gemäß c. 31 § 2 CIC zu promulgieren. Allgemeine Ausführungsdekrete sind den Verordnungen im weltlichen Recht vergleichbar. Die dort (im deutschen Recht) enthaltenen Einschränkun­gen, daß der Erlaß von Verordnungen nur zulässig ist, wenn die Verwaltung hier­zu ausdrücklich und unter Festlegung von Inhalt, Zweck und Ausmaß (Art. 80 GG) ermächtigt worden ist, haben im CIC jedoch keine Entsprechung. Allge­meine Ausführungsdekrete sind daher beijedem Gesetz zulässig. Aus c. 31 ff. i. V. m. c. 49 CIC ergibt sich ferner, daß es zulässig ist, durch allge­meines Verwaltungsdekret für eine Vielzahl von Personen allgemeine Regelungen 92 Amann Verwaltungsakt (Fn. 80), S. 149 f. 93 J. Lederer, Der Dispensbegriff des kanonischen Rechtes, München 1957, S. 46. 94 Amann Verwaltungsakt (Fn. 80), S. 147. 95 Amann Verwaltungsakt (Fn. 80), S. 148. 96MK-Socha (Fn. 45) c. 31 Rn. 3. 97 MK-Socha (Fn. 45) c. 31 Rn. 1 98 MK-Socha (Fn. 45) c. 31 Rn. 5

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