Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

GEWALTENUNTERSCHEIDUNG STATT GEWALTENTRENNUNG 191 Als Päpstliche Gerichte werden die Römische Rota (cc. 1443 f. CIC / Artt. 126 ff. PB), die Apostolische Signatur (c. 1445 CIC / Artt. 121 ff. PB) und die Apostolische Poenitentiarie (Artt. 117 ff. PB) bezeichnet. Auf der Ebene der Diözesen ist der Diözesanbischof gehalten, einen Gerichtsvikar (Offizial) zu er­nennen. Dieser soll nicht der Generalvikar sein; eine Ausnahme ist zulässig we­gen der geringen Größe der Diözese bzw. der geringen Zahl an Gerichtssachen (c. 1420 § 1 CIC). Der Offizial bildet mit dem Diözesanbischof ein Gericht, kann jedoch nicht über Fälle entscheiden, die sich der Diözesanbischof vorbehält (c. 1420§ 1 2 CIC). Neben dem Offizial sind weitere Richter zu bestellen (c. 1421 § 1 CIC), da einzelne Angelegenheiten von einem Kollegialgericht zu entscheiden sind(vgl. c. 1425 CIC).66 Richter sind unabhängig und in ihrer Amtsführung keinen Weisungen unter­worfen.67 Allerdings können Richter durch den Offizial nach ihrer Festlegung ausgewechselt werden, wenn ein sehr schwerwiegender Grund vorliegt (c. 1425 § 5 CIC). Umstritten ist, ob der Diözesanbischof auch nach der Festlegung, wel­che^) Richter den Fall zu entscheiden hat (haben), den Fall an sich ziehen kann.68 Jedenfalls hat er aber das gleiche Recht wie der Offizial, die Richter gern, c. 1425 § 5 CIC auszuwechseln und andere Richter - ggf. auch sich selbst - zu benennen. Der Grundsatz des gesetzlichen Richters ist daher im kanonischen Recht nicht vollständig verwirklicht. 3. Begriff der Gewaltenunterscheidung An dieser Stelle ist näher auf den Begriff „Gewaltenunterscheidung” im Ver­gleich zur „Gewaltenteilung” einzugehen. Die Gewaltenteilung hat - wie ausge- führt - insbesondere den Sinn, die einzelnen Gewalten zum Zwecke der gegen­seitigen Kontrolle voneinander abzugrenzen. Im kanonischen Recht sind dage­gen auf der Ebene des Diözesanbischofs (Papstes) alle drei Gewalten vereinigt. Die Aufteilung hat also allein formellen Charakter.69 Man kann daher statt von „Gewaltenunterscheidung” auch von „Gewalteneinheit” sprechen. Ziel dieser Aufteilung ist es, eine sachgerechte und ordnungsgemäße Stell­vertretung der eigenberechtigten apostolischen Amtsträgerzu ermöglichen.70 66 MK-Lüdicke (Fn. 45), c. 1419 Rn. 6. 67 MK-Lüdicke (Fn. 45), c 1419 Rn. 8. 68 bejahend: Müller in HbkKR (Fn. 30), S. 367; verneinend unter Flinweis auf den gegen­über c. 1405 § 1 4° CIC („an sich ziehen”) abweichenden Wortlaut des c. 1420 § 2 („Vorbehal­ten”): MK-Lüdicke (Fn. 45), c. 1420 Rn. 6. 69 P. KRÄMER, Worin gründet kirchliche Vollmacht?, Archiv für katholisches Kirchenrecht 163 (1994) S. 74 ff. (75). 70MK-Socha (Fn. 45), c. 135 Rn. 2.

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