Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

192 BERND EICHOLT Eine personelle Trennung bei der Wahrnehmung von Aufgaben, die unter­schiedlichen Gewalten zuzurechnen sind, gibt es dementsprechend nur auf der Ebene unterhalb des Diözesanbischofs (Papstes); selbst diese ist, wie c. 1420 § 1 CIC zeigt, nicht in allen Fällen zwingend. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, daß falls diese Gewalten auf verschiedene Personen verteilt seien, dies der Gewaltenunterscheidung „begegne”, ohne jedoch die gegenseitige Hemmung zum Ziel zu haben.71 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Ämter des Generalvikars und des Offizials nicht aus Gründen der Gewal­tenteilung entstanden sind, sondern um die Macht der Archidiakone zu be­schränken.72 Wie bereits festgestellt, gelten für die einzelnen Gewalten besondere Bestim­mungen. Daher muß auch der Papst, wenn er als Richter tätig wird, die entspre­chenden Bestimmungen einhalten.73 Insoweit dient die Grenzziehung zwischen den Gewalten auch der Sicherheit des Rechtslebens, da gmndsätzlich voraus­sehbar ist, welches Organ tätig wird und welche Bestimmungen - auch und gera­de formelle - dieses einzuhalten hat.74 Nur mit Einschränkungen kann der Auffassung gefolgt werden, daß durch diese Aufteilung der Schutz subjektiver Rechte gewährleistet werden soll und eine personelle Trennung der Ämter des Generalvikars und des Offizials gebo­ten sei, damit ggf. Rechtsschutz gegen Akte der Verwaltung gewährleistet ist.75 Die in diesem Zusammenhang angesprochene Verwaltungsgerichtsbarkeit exi­stiert auf der Ebene der Diözesen nicht. 4. Überschneidungen der Gewalten Die Gewalteneinheit in der Kirche zeigt sich jedoch nicht nur darin, daß die drei Funktionen auf den Ebenen der katholischen Kirche in einer Hand liegen (Papst, Diözesanbischof), sondern auch in der Vielzahl von Überschneidungen, die einer Funktion Eingriffe in den Zuständgkeitsbereich einer anderen Funktion erlauben. a) Überschneidungen zwischen der ausführenden und der gesetzgebenden Gewalt gibt es z. B. in folgenden Fällen: 71 Mörsdorf, Regierungsaufgaben (Fn. 37), S. 258. 72 P. HlNSCHIUS, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, Sy­stem des Katholischen Kirchenrechts mit besonderer Berücksichtigung auf Deutschland, II, Graz 1959 (Nachdruck), S. 206. 73 MK-Socha (Fn. 45), c. 135 Rn. 13 74Mörsdorf, Regierungsaufgaben (Fn. 37), S. 272. 75 Müller in HbkKR (Fn. 30), S. 366.

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