Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

190 BERND EICHOLT Der Diözesanbischof muß einen Generalvikar ernennen. Dieser ist mit or­dentlicher (stellvertretender) Gewalt ausgestattet (c. 475 § 1 CIC) und hat in der gesamten Diözese die ausführende Gewalt (nicht im Bereich der Gerichtsver­waltung), es sei denn, der Diözesanbischof hat sich eine Angelegenheit Vorbe­halten oder der Generalvikar benötigt wegen c. 134 § 3 CIC ein Spezialmandat.60 Ggf. kann auch ein Bischofsvikar ernannt werden, der für räumlich, perso­nell oder auf ein bestimmtes Aufgabengebiet beschränkte Angelegenheiten die gleichen Vollmachten hat wie ein Generalvikar (c. 476 § 1 CIC). Die ausführende Gewalt kann in weitem Umfang delegiert, also auf andere übertragen werden (s. cc. 137 ff. CIC). cc) Der rechtsprechenden Gewalt obliegt - ebenso wie der ausführenden - die Rechtsanwendung. Ein Richter wird jedoch nur auf Antrag tätig; in diesem Falle ist er auch zum Handeln verpflichtet. Das gerichtliche Verfahren ist im Ge­gensatz zum Verwaltungsverfahren genau geregelt.61 Die Gesetzesbindung des Richters ist so ausgeprägt, daß praktisch kein Raum für Richterrecht bleibt.62 Überspitzt wird formuliert, im Rahmen der Rechtsprechung sei die Rechtsan­wendung Mittel zum Zweck, während für die Verwaltung das Ergebnis, die Zweckmäßigkeit, im Vordergrund stehe.63 Die höchste richterliche Gewalt liegt beim Papst (cc. 331, 1442 CIC) sowie beim Bischofskollegium (c. 336 CIC). In seiner Diözese ist der Bischof der Inha­ber richterlicher Gewalt (c. 391 § 1 CIC). Dies gilt jedoch nur für die Verfahren 1. Instanz(c. 1419 § 1 CIC).64 Soweit ein Diözesangericht als Berufungsgericht tätig wird, ist der Diözesanbischofdaher nicht Richter gemäße. 391 § 1 CIC,da das Ge­richt 2. Instanz lediglich an die Stelle des an sich zuständigen Papstes tritt,65 also der Bereich, für den der Diözesanbischof Seelsorge ausübt, nicht betroffen ist. Richterliche Gewalt kann nur zur Vornahme von Handlungen für die Vorbe­reitung eines Dekrets oder Urteils delegiert werden (c. 135 § 3 CIC).65a 60 Eine Aufzählung der Fälle, in denen ein Spezialmandat erforderlich ist, findet sich z. B. bei H. Müller, Die rechtliche Stellung des Diözesanbischofs gegenüber Generalvikar und Bi­schofsvikar, Archiv für katholisches Kirchenrecht 153 (1984), S. 399 ff. (409 ff). 61 Aymans I (Fn. 28), S. 422; Mörsdorf Regierungsaufgaben (Fn. 37), S. 263 f. 62Walf(Fn. 55), S. 49. 63 Mörsdorf Regierungsaufgaben (Fn. 37), S. 263 f. 64 zu weiteren Organen mit richterlicher Gewalt s. MK-Socha (Fn. 45), c. 13 5 Rn. 11. 65 MK-Lüdicke (Fn. 45), c.1419 Rn. 5. 65a Diese Einschränkung gilt nach zutreffender Ansicht nicht für die Inhaber eigenberech­tigter richterlicher Gewalt; vgl. A. Mendonça, The structural and functional aspects of an appeal tribunal in marriage nullity cases, MonEccl 1999,S. 110 ff. (114 f. Fn. 10); anders je­doch z. B. : D. S. Brewer, in K. W. Vann - J. I. Donlon (Flsg.), Roman Replies and CLSA Ad­visory Opinions, Washington D. C. 1997, S. 88 ff. (89).

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