Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

GEWALTENUNTERSCHEIDUNG STATT GEWALTENTRENNUNG 189 bb) Die ausführende Gewalt (Verwaltung) wird „die handelnde, zum sachli­chen Erfolg, zur Tat hindrängende Gewalt”52 genannt. Formaler ist eine andere Abgrenzung: Danach wird unter der ausfuhrenden Gewalt die Rechtsanwen­dung verstanden, die nicht durch richterliche Organe erfolgt.53 Die zweite Ab­grenzung ist zu eng gefaßt, da die Abgrenzung ausfiihrende ./. richterliche Ge­walt nicht allein danach beurteilt werden darf, welches Organ tätig geworden ist. Maßnahmen eines Richters auf dem Gebiet der Gerichtsverwaltung sind der aus- führenden Gewalt (Verwaltung) zuzurechnen.54 Insoweit ist daher die zuletzt ge­nannte Auffassung zu modifizieren. Die Verwaltung kann nicht selten nach freiem Ermessen tätig werden und da­bei auch Gesichtspunkte der Opportunität, der Nützlichkeit, berücksichtigen.55 Andererseits ist die Verwaltung aber durch das gebunden, was das Gesetz fordert oder verbietet;56 insoweit kann man sagen, daß auch im kanonischen Recht der Grundsatz der „Gesetzmäßigkeit der Verwaltung” gilt. Die Gesetzesbindung der Verwaltung ist jedoch im Vergleich zum weltlichen Recht weniger stark ausge­prägt (s. cc. 38 a. E„ 85 CIC). Dies wird anhand der folgenden Beschreibung der Aufgaben der „Verwaltung” deutlich: „line Tätigkeit ist bald Rechtsanwendung, bald Rechtsschöpfung; das eine verbindet sie der Rechtsprechung, das andere der Gesetzgebung...In der Verwirklichung des Rechts sieht die Verwaltung nicht das Ziel, sondern die Schranke ihres Handelns”.57 Ziel der Verwaltung ist in er­ster Linie die Ordnung der Kirche im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Sendung57“ Handlungsformen der Verwaltung sind z. B. Dekret für Einzelfälle (c. 48 CIC), Reskript (c. 59 § 1 CIC), Privileg (c. 76 § 1 CIC), Dispens (c. 85 CIC), all­gemeines Ausführungsdekret (c. 31 § 1 CIC) und Instruktion (c. 34 § 1 CIC). Im Gegensatz zur Rechtsprechung wird im Verwaltungsverfahren weitge­hend auf strenge verfahrensrechtliche Bestimmungen verzichtet. Die Verwal­tung kann überdies auch aus eigenem Antrieb tätig werden.58 Ordentliche Inhaber der ausführenden Gewalt sind z. B. der Papst (c. 331 CIC) sowie der Diözesanbischof (c. 391 CIC).59 52 Aymans I (Fn. 28), S. 422. 53 Schwendenwein (Fn. 34), S. 104. 54 Aymans I(Fn. 28), S. 424. 55 K. Walf, Einführung in das neue Kirchenrecht, Zürich 1984, S. 49. 56 Aymans I (Fn. 28), S. 227. 57 Aymans I (Fn. 28), S. 225 ff; Mörsdorf Regierungsaufgaben (Fn. 37), S. 265. 57aH. Pree, Imputabilitas - Erwägungen zum Schuldbegriff des kanonischen Strafrechts, ÖAKR 38 (1989), S. 226 ff. (226 Fn. 2). 58 Mörsdorf Regierungsaufgaben (Fn. 37), S. 265. 59 zu weiteren Inhabern ordentlicher ausführender Gewalt s. MK-Socha (Fn. 45), c. 135 Rn. 17.

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