Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

184 BERND EICHOLT häufig gegenläufigen Interessen von Polizei und Justiz, z. B. bei der Frage, ob Angaben über die Identität einer V-Person gemäß § 96 StPO gesperrt werden dürfen, sind hierfür nur ein Beispiel. Die Zusammenlegung dürfte letztlich nicht gegen den Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung, wohl aber gegen deren Geist verstoßen.24 Die für die Gewaltenteilung aufgeführten Gründe sprechen jedoch dafür, alle Maßnahmen zu vermeiden, die das Gleichgewicht der Gewal­ten faktisch verändern können. II. Grundsatz der Gewaltenunterscheidung im kanonischen recht 1. Begriff der Gewalt in der Kirche Bevor auf die Frage der Trennung der Gewalten in der katholischen Kirche eingegangen werden kann, ist zunächst zu klären, was unter „Gewalt” zu verste­hen ist. Hierbei wird herkömmlich zwischen der Weihegewalt und der Leitungs­gewalt unterschieden.25 Dabei ist unter Weihegewalt die ihrem Wesen nach seinshafte Befähigung zum Vollzug bestimmter sakramentaler Handlungen zu verstehen26 und unter Leitungsgewalt die Führung des Gottesvolkes unter Ein­satz rechtlicher Mittel.27 Die hier zu behandelnde Frage betrifft daher nach der herkömmlichen Unterscheidung die Leitungsgewalt. Allerdings ist fraglich, ob an dieser Unterscheidung zwischen Weihe- und Leitungsgewalt festgehalten werden kann. Diese hatte in der Vergangenheit dazu geführt, daß sich die „Gewalten” immer weiter voneinander entfernt haben. Am Ende der Entwicklung konnte jemand als Bischof die Leitungsgewalt inne­haben, obwohl ihm die für die umfassende Ausübung seines Amtes erforderli­che Weihe fehlte.28 Die einem derartigen „Fürstbischof’ zur Wahrnehmung der 24K. Rudolph, Justiz- und Innenministerium in Nordrhein-Westfalen - Die umstrittene Fusion, NJW 1998, S. 3094 f. (3095); zurückhaltender: H. Sendler, Rechtsstaat und richter­liche Unabhängigkeit in Gefahr ?, NJW 1998, S. 3622 ff. 25 K. Mörsdorf, Weihegewalt und Hirtengewalt in Abgrenzung und Bezug in Klaus Mörs­dorf— Schriften zum Kanonischen Recht, W. Aym ANS - K.-T. GERINGER - H. SCHMITZ (Hsg.), Paderborn 1989, S. 171 ff. (172). 26 K. MÖRSDORF, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, I. Band Einleitung, Allgemeiner Teil und Personenrecht, Paderborn 111964, S. 245. 27 K. Mörsdorf, Heilige Gewalt, in Klaus Mörsdorf (Fn. 25), S. 203 ff. (205). 28 G. GäNSWEIN, Um den Anfang der Primatialgewalt, Österreichisches Archiv für Kir­chenrecht 34 (1983/84), S. 47 ff (51 f).; W. Aymans — K. MÖRSDORF, Kanonisches Recht, Lehrbuch aufgrund des Codex Iuris Canonici, Band I Einleitende Grundfragen und Allgemei­ne Normen, Paderborn 1991 (zitiert: Aymans I), S. 390.

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