Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

GEWALTENUNTERSCHEIDUNG STATT GEWALTENTRENNUNG 185 geistlichen Handlungen beigegebenen Bischöfe wurden „Weihbischöfe” ge­nannt29 - ein Begriff, der im deutschen Sprachgebiet immer noch sehr verbreitet ist. Mit dieser als Fehler empfundenen Entwicklung hat das Vaticanum II gebro­chen, indem es klarstellte, daß es nur eine Heilige Gewalt gibt.30 An die Stelle der zwei Gewalten wurden die drei Dienste des Heiligens, Lehrens und Leitens ge­setzt (LG 20 Abs. 3,21 Abs. 2; s. auch c. 375 § 2 CIC). Andererseits wird im CIC an dem bisherigen Sprachgebrauch festgehalten (s. nur c. 274 § 1 CIC). Eine sein- streitige Frage ist daher, ob weiterhin der traditionellen Unterscheidung zu fol­gen ist. „Leitungsgewalf ’ und „Weihegewalt” werden teilweise als verfehlte Be­griffe von vornherein verworfen31 bzw. als Teile der Heiligen Gewalt angese­hen.32 Die Gegenauffassung geht davon aus, daß der CIC insoweit an der her­kömmlichen Lehre von den zwei getrennten Gewalten festhält.33 Schwenden­wein vertritt allerdings die Auffassung, daß es unerheblich sei, ob diese Gewal­ten Teile der Heiligen Gewalt sind oder aber selbständig nebeneinander stehen.34 Für die hier behandelte Frage ist der Meinungsstreit ohne Bedeutung. Die früher mögliche Trennung von Weihe- und Leitungsgewalt ist heute jedenfalls wegen (z. B.) cc. 129 § 1, 332 § 1, 375 § 2 CIC ausgeschlossen. 2. Abgrenzung der Gewalten innerhalb der Leitungsgewalt a) Für die Staatsrechtswissenschaft des weltlichen Rechts ist die Unterschei­dung von gesetzgebender, vollziehender und richterlicher Gewalt eine Selbst­verständlichkeit; im kanonischen Recht wurde diese Unterscheidung erstmals in c. 135 CIC ausdrücklich und allgemeingültig normiert. Eine entsprechende Vor­schrift findet sich im CIC 1917 nicht. Vielmehr wurden in c. 335 § 1 CIC 1917 die gesetzgebende, die rechtsanwendende und die Strafgewalt unterschieden. Unter der gesetzgebenden Gewalt wurde die Gewalt verstanden, allgemeine, verbindliche Anordnungen für das öffentliche Wohl zu erlassen.35 Diese Defini­tion stimmt mit der im weltlichen Recht üblichen im Ergebnis überein. Etwas an­29 H. MÜLLER, Zur Frage nach der kirchlichen Vollmacht im CIC/1983, Österreichisches Archiv für Kirchenrecht 35 (1985) S. 83 ff.(87). 30 Krämer in J. LlSTL — H. MÜLLER - H. SCHMITZ, Handbuch des katholischen Kirchen­rechts, Regensburg 1983 (zitiert: Verfasser in HbkKR), S. 125 f. 31M. Kaiser, Potestas iurisdictionis ?, in Fides et lus, Festschrift für Georg May,W. Aymans - A. Egler - J. Listl (Hsg.), Regensburg 1991 S. 81 ff. (105). 32 Aymans I (Fn. 28), S. 394 f.; ders. Heilige Gewalt (Fn. 27), S. 207. 33 T. Amann, Laien als Träger von Leitungsgewalt ?, St. Ottilien 1996, S. 5; R. Puza, Ka­tholisches Kirchenrecht, Heidelberg21993, S. 152. 34 H. Schwendenwein, Das neue Kirchenrecht, Graz 1983, S. 102. 35 vgl. K. Mörsdorf, Rechtsprechung und Verwaltung im kanonischen Recht, Frei- burg/Br. 1941, S. 20.

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