Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

GEWALTENUNTERSCHEIDUNG STATT GEWALTENTRENNUNG 183 wenn subjektive Rechte, die ihre Grundlage im einfachen Recht haben, im Streit stehen.19 Es wäre aber unrichtig, die Aufgabe der Gerichte nur in der nachträgli­chen Kontrolle zu sehen. Vielmehr haben Gerichte häufig bereits vor einem Ein­griff in Rechte Dritter zu prüfen, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen. So sind z. B. im Strafprozeß Eingriffe in vielen Fällen (Ausnahme: Eilfalle) nur dann zulässig, wenn ein Gericht zugestimmt hat (z.B. §§81,81 a Abs. 2,98 Abs. 1, 100, 100a, 100b, 114 [112] StPO). c) Diese Gewaltenteilung soll auch eine transparente und rationale Organisa­tion des Staates ermöglichen.20 Ferner kann durch Maßnahmen einer Gewalt auch die Qualität der Entscheidungen einer anderen Gewalt gesteigert werden. Hat z. B. die Verwaltung bei Erlaß eines Verwaltungsaktes einen wesentlichen Gesichtspunkt übersehen und wird dies anhand einer gerichtlichen Entschei­dung deutlich, kann dies dazu führen, daß die Verwaltung diesen Fehler künftig vermeidet.21 Die Gewaltenteilung dient damit - worauf Benda ebenfalls hin­weist - auch der Verwirklichung der im Grundgesetz enthaltenen Wertvorstel­lungen. 4. Kritik an der praktischen Durchführung der Gewaltenteilung Ohne daß die damit zusammenhängenden Fragen hier umfassend erörtert, geschweige denn einer Lösung zugeführt werden können, ist doch daraufhinzu­weisen, daß die Überschneidungen der Gewalten nicht in allen Fällen wider­spruchslos hingenommen werden. So hat v. Münch wiederholt die beschriebene Praxis kritisiert, daß Regierungsmitglieder gleichzeitig Abgeordnete sind.22 Die gleiche Frage wurde auch im Vorfeld der Bildung der neuen Bundesregierung von der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN aufgeworfen. Ferner ist die Zusammenlegung des Innen- und des Justizministeriums in Nordrhein-Westfalen auf Kritik gestoßen - auch wenn diese in der Öffentlich­keit keine große Rolle gespielt hat.23 Obwohl beide Ministerien der vollziehen­den Gewalt zuzuordnen sind, ist diese Zusammenlegung problematisch. Die 20 Mishra (Fn. 11 ), ZRP 1998.S.405. 21 Benda in Handbuch des Verfassungsrechts (Fn. 9), S. 738. 22 vgl. zuletzt I. von Münch, Minister und Abgeordneter in einer Person: die andauernde Verhöhnung der Gewaltenteilung, NJW 1998, S. 34 f. 23 Der Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen hat die Fusion von Innen- und Ju­stizministerium durch Urteil vom 9. Februar 1999 für unzulässig erklärt, da angesichts der Be­deutung dieser Maßnahme hierfür ein förmliches Gesetz erforderlich gewesen wäre, vgl. NWVerfGH NJW 1999, S. 1234 ff. Diese Begründung ist auf Kritik gestoßen: H. Sendler, Vom schönen Schein des bösen Scheins - Oder: Alle Macht den Richtern!, NJW 1999, S. 1232 ff. und E.-W. BÖCKENFÖRDE, Organisationsgewalt und Gesetzesvorbehalt, NJW 1999, S. 1235 f.

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