Folia Canonica 3. (2000)
STUDIES - Peter Landau: Die Canones Apostolorum im Abendländischen Kirchenrecht, insbesondere bei Gratian
DIE CANONES APOSTOLORUM IM ABENDLÄNDISCHEN KIRCHENRECHT 37 Bei zwei Kapiteln kommen sowohl Polykarp als auch die Drei-Bücher- Sammlung als Quelle in Frage.55 In den unterschiedlichen Überlieferungen der Sammlung des Anselm von Lucca56 findet man ferner fünf Apostelkanones, die Gratian wohl hieraus für sechs Kapitel verwendet hat57 - zwei dieser Kanones sind nur in der aus Lucca stammenden Rezension Bb des Anselm von Lucca enthalten, die Gratian vielleicht gekannt hat.58 Es ergibt sich insgesamt, dass die von Gratian sonst benutzten Sammlungen ihm auch für die Apostelkanones als Quelle gedient haben. Nun enthalten diese vorgratianischen Sammlungen aber auch einige Apostelkanones, die Gratian offenbar übergangen hat. Es sind nach meiner Zählung insgesamt neun Kanones, die von Gratian nicht berücksichtigt wurden. Der Grund scheint meist darin zu liegen, dass es sich um nicht mehr anwendbares Kirchenrecht handelt. Das gilt etwa für das altkirchliche Recht, von Klerikern und Laien Empfehlungsschreiben bei der Aufnahme in eine fremde Gemeinde zu fordern,59 oder für die Heiratsmöglichkeit für den niederen Klerus.60 Das c.l der Apostelkanones fol.70 va) = D.33.C.1. Das Kapitel steht auch bei Anselm (Ans. 6.137). Bei Gratian folgt ein weiteres Kapitel aus Coli. 3L in D.33, c.2, so dass wohl auch c. 1 der Drei-Bücher-Sammlung entnommen ist. 3) c.25 = 3L 2.18.20 = D.81, c.12. Dieser Text wurde ebenfalls von Anselm aufgenommen (Ans. 11.27). Bei Gratian folgt c.12 in der ersten Redaktion des Dekrets auf C. 7 - cf. Weigand, Chancen (Anm. 47), 72. Da c.l und c. 13 sicher aus 3L entnommen sind (3 L 2.18.33 und 2.18.20, Teil II), hat Gratian wohl auch das c.12 hier entnommen. 55 1) c.lO = Pol.3.16.35 = 3L2.10.12 (MS Pistoja, fol.61 *-va) = D.l, c.62 de cons. Der Passus “Qui autem” bei Gratian entspricht Pol., nicht 3L - cf. auch die Notatio Correctorum. Folglich ist Herkunft aus Pol.anzunehmen. 2) c.31 = Pol.2.4.1 =3L2.9.10(MS Pistoja, fol.37 vb) = C.16, q.7, c.14. 56 Die Sammlung des Anselm von Lucca wurde aufgrund der sog. Rezension A bis einschließlich Buch 11, c.15 von Friedrich Thaner ediert - cf. ANSELM II. BISCHOF VON LUCCA (Anselmus Episcopus Lucensis), Collectio canonum, Thaner (ed.), Innsbruck 1906-1915, ND Aalen 1965. Für den nicht edierten Teil der Sammlung wurde von mir MS Vat.lat. 1363 herangezogen. Zu den unterschiedlichen Fassungen der Sammlung des Anselm von Lucca cf. meine Arbeit, Erweiterte Fassungen der Kanonessammlung des Anselm von Lucca aus dem 12. Jahrhundert, in P. Golinelli (ed.), Sant ‘Anselmo, Mantova e la lotta per le investiture, Bologna 1987, 323-337 - auch in Landau, Kanones (Anm. 48), 81-96. 57 1) c.7 = Ans.6.142 = D.88, c.3; 2) c.40 = Ans.6.154 = C. 12, q. 1, c.21 ; 3) c.41 = Ans.6.153 = C.12, q.l, c.24 und c.22; 4) c.22 = Ans.Bb7.37 = D.55, c.4, pr; 5) c.23 = Ans.Bb7.38 = D. 55, c.4, §1. 58 Zur Redaktion Bb der Sammlung des Anselm von Lucca cf. P. Fournier, Observations sur diverses recensions de la collection d‘Anselme de Lacques, in Annales de l'université de Grenoble 13 (1901) 427-458, hier 450-454- auch in Ders., Mélanges de droit canonique II., Aalen 1983, 628-666, hier 658-662; P. Fournier-G. Le Bras, Histoire des collections canoniques en occident, Paris 1932,143-155; MEINE Arbeit, Erweiterte Fassungen (Anm. 55), 330-332. Anders als dort 332, dass keine Anhaltspunkte für eine Benutzung der Redaktion Bb durch Gratian bestehen , halte ich nach meinem heutigen Kenntnisstand eine Benutzung der Lucca-Redaktion (Rezension Bb) durch Gratian für möglich. Sie könnte noch bei folgenden Kapiteln Quelle Gratians gewesen sein: D.42, c.l (Ans. Bb5.76); C.3, q.3, c.7 (Ans.Bb7.101). 59 Canones apostolorum c. 13 - rezipiert in Pan.3.65. 60 Canones apostolorum c.27 - rezipiert in Pan.3.109 und 3L2.17.23.