Circulares litterae dioecesanae a 16-a maji-31-am decembris 1867. ad clerum archi-dioecesis strigoniensis dimissae a principe primate regni Hungariae et archi-episcopo Joanne Simor

Joannes Simor

14 Prüfen wir einige von den Anklagen gegen die Kirche und Religion Jesu Christi. Man lästert sie als Feinde der Freiheit. Hören wir Christus: „wenn ihr bleiben werdet bei meinem Worte, so werdet ihr wahrhaft meine Jünger sein, und Ihr werdet die Wahrheit erkennen , und die Wahrheit wird Euch frei machen.“ *) Im Römerbriefe schreibt der heilige Paulus: „befreiet von der Sünde, seid ihr der Gerechtigkeit dienst­bar geworden“.2) Jetzt wissen wir, was wahre Freiheit ist. Sie besteht darin, dass unsere Vernunft die Wahrheit erkenne, und im Besitze derselben frei bleibe von Unwissenheit, von Zweifel und Irrthum; dass unser Gewissen frei sei von Schuld und Sünde, und unser Wille herrsche nach allen Regeln der Gerechtigkeit. Kann es eine edlere, reinere Darstellung der Freiheit geben, und ist sie nicht die kostbare Frucht unserer heiligen Religion? Nimm diese Religion weg, und Irrthum und Zweifel werden wieder zur Herr­schaft gelangen, die Lüge wird auf’s Neue die Vernunft brandmarken, und der Wille wird unter der Knechtschaft tyrannischer Leidenschaften schmachten. Nur unter dem Schutze der Religion hat nicht allein die innere geistige, sondern auch die äussere bürger­liche Freiheit einen sicheren Hort, und zwar, weil es der Wahrheit eigen ist, auch die irdischen Angelegenheiten in ihrem wahren Werthe erscheinen zu lassen, und ihre Be­deutung in einer heilsamen Beziehung zum Heile der Seelen zu stellen. Wenn wir Frei­heit wollen, wahre, dauerhafte, beglückende Freiheit, so müssen wir vor Allem, die Re­ligion Jesu Christi wollen, müssen sie gründlich und allseitig kennen lernen, ihren Geist, der ein Geist der Wahrheit und Gerechtigkeit, der Freiheit und Tugend ist,3) in uns auf­nehmen , die Religion muss in Gesinnungs- und Handlungsweise, die treue und unbe­stechliche Begleiterin unseres Lebens sein. Man wirft ferner unserer Religion und Kirche vor, dass sie den Fortschritt hin­dere. Nichts ist ungerechter und unwahrer, wenn man jenes Wort in seiner richtigen Be­deutung nehmen will. Man nenne alle die vielgepriesenen Erfindungen und Verbesserun­gen auf dem weiten Felde echter Wissenschaft und Kunst, der Industrie und des Acker­baues, des Handels und Verkehrs, nie und nirgends hat die Religion hemmend sich ihnen entgegengestellt; aber es ist nicht zu läugnen, dass ihr allseitig belebender Einfluss gar viel dazu beigetragen hat, um diesen Aufschwung in menschlichen Dingen herbeizuführen, und dabei unterlässt sie es nie, den Menschen vor Missbrauch, und beim Anblick seiner Werke vor Selbstüberschätzung und prahlerischem Hochmuthzu warnen, und fordert zu jeglichem Eifer der Danksagung gegen Gott auf, der in den Menschengeist die Befähigung gelegt hat, den Spuren seiner unermesslichen Weisheit, Schönheit und Machtfülle auf einigen Schritten zu folgen. Der materielle Fortschritt hat nur dann einen wahren AVerth, und eine hohe Bedeutung, wenn er uns ein Antrieb wird, die göttlichen Lehren unserer Religion immer gründlicher und weiter zu erfassen, vollkommener stets und freudiger zu beobachten, auf dass der höchste Fortschritt nach den Worten Christi sich vollziehe: „seid vollkommen, gleich wie auch Euer Vater im Himmel vollkommen ist. “4) Weiter wird unsere Religion und Kirche angeschuldigt, dass sie keine Toleranz ») Joann. 8. 31, 32. — 2) Joann. 8, 31, 32. — 3) Rom. 6. 18. — 4) 2. Kor. 3. 17. — fl) Math. 5, 48.

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