AZ ORSZÁGOS SZÉCHÉNYI KÖNYVTÁR ÉVKÖNYVE 1974-1975. Budapest (1978)
II. Az OSZK gyűjteményeiből és történetéből - Berlász Jenő: Hogyan fogadta társadalmunk és a külföld a Széchényi Könyvtár alapítását? - Das Echo der Gründung der Széchényi Nationalbibliothek in Ungarn und im Ausland
in Ungarn. Die Jesuiten (vor allem István KATONA und György PRAY) die früher für die Verwirklichung des katholischen Universale gekämpft hatten, wurden jetzt die Bahnbrecher der nationalen Geschichtsschreibung. Mit der Hilfe der im Entstehen begriffenen Geodesie, Kartographie, Topographie, Mineralogie, Botanik und nicht zuletzt der Geschichtsforschung wurde die wissenschaftliche Entdeckung Ungarns begonnen und vollendet. Kapitel 3. behandelt z. T. die zur Organisation des wissenschaftlichen Lebens unternommenen Versuche: Gründung wissenschaftlicher Gesellschaften, öffentlicher Sammlungen nationalen Charakters. Die grosszügigen kulturellen Reformanträge, die von der neuen bürgerlichen Intelligenz der Landesversammlung von 1790/91 gemacht wurden, der damals epochale Bedeutung zugemessen wurde, werden erörtert und geprüft. Kapitel 4. verweist darauf, wie neben dem kulturellen Eifer der ungarischen Intellektuellen auch die von gewissen grossen deutschen Wissenschaftlern geübte Kritik an der ungarischen Nation, am intellektuellen Leben des Landes eine bedeutende Rolle in der Entstehung der Reformpläne der bürgerlichen Intellektuellen spielten. So einerseits die Äusserungen A. L. SCHLÖZERS über die kulturelle Rückständigkeit der Ungarn, andererseits die pessimistischen Prophezeiungen von J. G. HERDER über die Zukunft des ungarischen Volkes. Kapitel 5. untersucht, wie die „Deputatio literaria" der Landesversammlung 1790/91 zwar in Prinzip für die kulturellen Reformen eintrat, praktische aber unfähig war die Idee der öffentlichen Bibliotheken und der wissenschaftlichen Gesellschaften zu verwirklichen. Es handelte sich dabei jedoch um eine dringende Aufgabe, umsomehr als das kulturelle Vermächtnis der vergangenen Jahrhunderte baldigst gerettet werden musste. Die Anordnungen Kaisers JOSEPH IL zur Aufhebung vieler geistlicher Orden führten nämlich zumeist zur Zerstreuung der in den Klöstern aufbewahrten alten und seltenen Büchersammlungen. Endlich behandelt Kapitel 6. die nach den blutigen Geschehnissen der französischen Revolution und der Verschwörung der ungarischen Jakobiner eingetretene tragische Wendung, die in der Politik des Wiener Hofes, wie in den ungarischen Bewegungen zur Einstellung der Reforme, führte. Es war in diesem hoffnungslosen Augenblick, dass Franz von SZÉCHÉNYI die Gründung der ungarischen Nationalbiliothek auf sich nahm. IL Damit gehen wir zur Behandlung des im Titel angedeuteten Themas über, das ebenfalls sechs Kapitel umfasst. Jedes Kapitel soll die öffentliche Meinung einer Gesselschaftsschicht beleuchten. 1. Zuerst geben wir eine Analyse der gesellschaftlichen Resonanz in den Kreisen des Mitteladels. Diese cca. 3000 — 3500 Familien umfassende, in der Provinz lebende Klasse war der vorzügliche Repräsentant der ungarischen feudalen Gesellschaft. Es ist interessant, dass sie trotz ihrer lateinisch-juristischen Bildung kern besonderes Interesse für ein höheres intellektuelles Leben zeigte, Wissenschaft und Literatur sprachen sie wenig an. Trotzdem nahm sie die Gründung der Nationalbibliothek — aus mehreren Gründen — mit enthusiastischen Beifall zur Kenntnis. Vor allem deshalb, weil sie in derselben eine mächtige Schutzwehr gegen die politischen Einschmelzungsversuche des Wiener Hofes erblickte. Dann aber auch, weil die Bibliothek eine grossartige Widerlegung der im Ausland verbreiteten Ansichten über die Rückständigkeit und Mangel an Bildung der Ungarn war. Diese Stellungnahme des ungarischen Adels wurde — bezeichnenderweise für den damals noch bestehende Nationalitätenfriede — auch von dem fremdsprachigen Adel Ungarns geteilt. 2. Das städtische Bürgertum war der zweite massgebende Faktor der öffentlichen Meinung. Dieses wurde im Mutterland (d. h. auf dem Gebiet ohne Transylvanien und Kroatien-Dalmatien) von den Einwohnern von 43 freien königlichen und Bersgstädten repräsentiert. Dieses Bürgertum, das zum Grossteil seiner Muttersprache und Kultur nach überwiegend deutsch war, zeigte trotzdem ein sehr positives Interesse an der Entstehung der Nationalbibliothek, da sie darin ein erfolgreiches Mittel zur Verbreitung der bürgerlichen Kultur sah. 3. Die Hochadel galt, weniger ihrer Zahl als ihrem politischen Einfluss nach, als wichtiger Faktor in der Gestaltung der öffentlichen Meinung. Diese cca. 170 Familien zählende adeligen Grossgrundbesitzer — zu der auch die ihre Reihen ergänzenden 300 162