AZ ORSZÁGOS SZÉCHÉNYI KÖNYVTÁR ÉVKÖNYVE 1974-1975. Budapest (1978)

II. Az OSZK gyűjteményeiből és történetéből - Berlász Jenő: Hogyan fogadta társadalmunk és a külföld a Széchényi Könyvtár alapítását? - Das Echo der Gründung der Széchényi Nationalbibliothek in Ungarn und im Ausland

eingebürgerten, meist deutschen Magnatenfamilien gerechnet werden können — ver­walteten die Geschäfte und die Administration des Landes. Es war dies eine gewöhnlich im Ausland erzogene gebildete Schicht mit europäischem Gesichtskreis, die in ihren ländlichen Schlössern und städtischen Palais reiche, die internationale Wissenschaft und Literatur umfassende Privatbibliotheken sammelte. Für diese Schicht war die Gründung der Nationalbibliothek weder kulturell noch politisch bedeutend. Die un­garische Aristokratie las und sprach nämlich nicht ungarisch, auch diente sie weniger den Interessen der Nation als dem Herrscherhaus. So waren es hier ungefähr 40 Per­sonen, die Franz von SZÉCHÉNYI mit seinem Katalog beehrte und die die Nachricht von der Gründung mit Freude und Verständnis entgegennahmen. 4. Auch der katholische Klerus war infolge seiner grossen historischen Vergan­genheit ein bedeutender Faktor der öffentlichen Meinung, trotzdem daß seine Rolle durch die staatliche Kontrolle des Schulwesens und die Ordensaufhebungen unter JOSEPH IL sehr geschmälert wurde. Der hohe Klerus betrachtete aber diese Verdrän­gung nicht als definitiv und bemühte sich durch grosse materielle Opfer, besonders durch Gründung neuer kultureller Institutionen, vor allem wissenschaftlicher Biblio­theken seinen ersten Rang im kulturellen Leben zurückzuerobern. Die Gründung der Nationalbibliothek förderte offensichtlich den Aufschwung der weltlichen Kultur, weshalb sie in den Kreisen der hohen Geistlichkeit im allgemeinen auf kalten Empfang stiess. Nicht so bei den Ordensleuten und dem niederen Klerus. Diese Schicht (vor allem die Piaristen) die sich durch ihre bäuerliche, kleinbürgerliche und kleinadelige Herkunft immer mehr der nationalen Bewegung anschloss und sich mit ehrlichem Bemühen in den Dienst der nationalen Wissenschaft stellte, hörte freudig die Nachricht von der Bibliotheksgründung und hatte den richtigen Blick für die gegenwärtige und zukünf­tige Bedeutung der Institution. 5. Ungarn wor kein durchweg katholisches Land. Die Gegenreformation hat mit dem Protestantismus nicht vollkommen fertig werden können. Ungefähr ein Viertel der Bevölkerung blieb protestantisch mit eigener lutheranischen, bzw. kalvinistischen kirchlicher Organisation. Die protestantischen Geistlichen studierten oft an auslän­dischen Universitäten (Deutschland, Schweiz, Holland, England) und wurden dadurch zu erstklassigen Exponenten der westlichen Kultur in Ungarn. Sie waren aber auch die Vorkämpfer der um 1770 einsetzenden nationalen Bewegung, da die 200 jährige Unterdrückung durch den Staat sie notwendigerweise zu Gegnern der Politik der Habsburger machte. Selbstverständlich betrachtete die protestantische Geistlichkeit — undzwar nicht nur die rein ungarischen Kalvinisten und Unitarier, sondern auch die deutschen, bzw. slowakischen Lutheraner — die Bibliothek als Stütze der eigenen Bestrebungen und begrüsste die Gründung enthusiastisch. 6. Natürlich musste die Gründung der Bibliothek den tiefsten und wahrsten Eindruck auf jenen Kreis ausüben, der eigentlich ausserhalb der Rahmen der feudalen Gesellschaft stand : auf die bürgerlichen Intellektuellen. Sie bildeten ein Konglomerat, das sich seit der Reformation stufenweise aus den Bürgern der ungarischen Bauerns­städte, dem besitzlosen Kleinadel, sowie den Bürgern der deutschen, ungarischen und slovakischen Städte, den Mitgliedern der aufgehobenen Orden und den Söhnen der protestantischen Geistlichenfamilien entwickelt hatte. Sie wurden die Vorkämpfer, später die berufenen Organisatoren und Bildner des neuen bürgerlich-nationalen Un­garn. Aus ihren Reihen gingen die ersten Zivillehrer hervor, die Fachleute, Ingenieure, Ärzte, Agronomen, Journalisten, die Theoretiker und Praktiker der Wissenschaft der neuen Ära. Franz von SZÉCHÉNYI beschenkte 200 dieser Intellektuellen mit sienem Katalog. Aus ihren Antwortbriefen konnte er staunend die grossartigen Perspektiven überblicken, die diese vorzüglichen Fachleute — gleichzeitig mit dem Aufschwung der Nationalbibliothek — von der zukünftigen Entwicklung der ungarischen Literatur und Wissenschaft prophezeiten. III. Der abschliessende Teil der Arbeit soll die mit der Gründung verknüpften Reflexionen der Repräsentanten der ausländischen Wissenschaft und Literatur brin­gen. Sie waren aus Wien : Gottfried van SWIETEN, Paul STRATTMANN, Józef Maximi­lian TENCZYN-OSSOLINSKI, Bernhard Freiherr von JENSCH, alle Leitende Mitarbeiter der Hofbibliothek, weiterhin Studienrat Melchior BIRKENSTOCK, Heinrich BRET­SCHNEIDER, einstiger Custos der Universitätsbibliothek Pest, Anton Wilhelm Gus­TEEMANN Rechtsgelehrter, die Historiker Johannes MÜLLER und Josef SARTORI, die Schriftstellerin Karoline PICHLER und noch zahlreiche höfische und politische führende n* 163

Next

/
Thumbnails
Contents