Petrovics Elek szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 9. 1937-1939 (Budapest, 1940)
Jolán Balogh: Studien in der alten Skulpturensammlung des Museums der Bildenden Künste. II.
mige nennen möchten, verbreitete sich hauptsächlich in Oberitalien. Es ist dies der tiefstempfundene Pietà-Typus, denn er schaltet den menschlichen Schmerz fast völlig aus und betont die Tiefe des religiösen Glaubens. 207 Zusammenfassend lassen sich also in Italien im allgemeinen vier Haupttypen der Pietà unterscheiden: der realistische, der am häufigsten ist, der treppenförmige, der italienisch-horizontale und schliesslich der bogeniörmige. Freilich sind die Grenzen zwischen den einzelnen Typen nicht immer scharf gezogen und es entstanden auch zahlreiche Übergangstypen. Seit dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts blieb eigentlich nur der erste Typus bestehen, doch allerdings in unerschöpflichen, individuellen Variationen. Zu unserem Ausgangspunkte zurückkehrend, das ist zur Pietà-Statue unseres Museums, müssen wir diese nach obigen Erklärungen für einen späten Abkömmling der realistischen Pietà halten, die sich in der florentinischen Malerei und in der Werkstätte Robbias entwickelt hat. Neben den Einwirkungen alter Uberlieferungen können wir aber auch den Einfluss einer hervorragenden Statue des späten Cinquecento wahrnehmen. Der Kopftypus Christi, die Bewegung seines linken Armes und die Modellierung seines Körpers zeigen den unmittelbaren Einfluss des schmerzlichschönen, liegenden Christus (Abb. 143.) in dem Oratorio della Grotta zu Urbino. Dieser Zusammenhang gibt gleichzeitig einen terminus post quem für die Datierung unserer Statue. Die Pietà in Urbino, die man neuerlich Giovanni Bandini 208 zuschreibt, ist 1585-86 racotta-Statue in Frankfurt am Main, Städelsche Galerie. No. 288; Terracotta-Statue in Venedig, Cà d'oro (Fogolari, G. —Nebbia, U. —Moschini A.: La R. Galleria G. Franchetti alla Cà d'oro. Venezia, 1929. p. 96.). 207 Mâle (L'art religieux de la fin du Moyen Age en France. Paris, 1908. p. 126.) sagt über die Pietà von Autrèche folgendes: „lei la beauté de la pensée approche du sublime. La vierge conformément à la pensée de saint Bonaventure, donne au monde l'exemple du sacrifice". 208 Calzini, E.: Document! relativi tra l'altro, all' autore del „Cristo morto" nella cripta del Duomo di Urbino. Rassegna bibliografica dell'arte italiana. XVII. 1914. p. 94—95. (1597. Werk des Giovanni Bandini), XIX. 1916. p. 133—137, (der zweite Artikel Calzinis war mir leider nicht zugänglich); Middeldorf, U.: Giovanni Bandini, detto Giovanni dell' Opera. Rivista d'Arte. XI. 1929. p. 514—515. (1585—1586. Werk des Giovanni Bandini); Serra, L.: Urbino, Roma, 1932. p. 225— 226. Catalogo délie cose d'arte e di antichità entstanden. So kann auch unsere Statue nicht vor der Jahrhundertwende modelliert worden sein. 20i ' Die ineinanderfliessende Geschlossenheit ihrer Komposition, die lebhafte Bewegung der Beine Mariens, die nicht mehr — wie früher — nebeneinander gestellt sind, der erhöhte Naturalismus der Darstellung, die auch die Tränen und Blutstropfen modelliert, nötigen uns sogar, die Datierung in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts zu verschieben. Ungefähr um diese Zeit wirkte Francesco Gonnelli, „il cieco da Gambassi", den man mit mehr oder weniger Recht für den Verfertiger von zahlreichen Pietà-Kompositionen hält. Leider kennen wir bisher von seinem Lebenslauf und seinen Werken so wenig, 210 dass wir heute kaum wagen dürfen, diese Attributionen zu sichten. Vielleicht könnte die Pietà (Abb. 141.) in S. Giovanni Valdarno 211 noch mit meistern Recht ihm zugeschrieben werden. Ihre grobe Modellierung erinnert auffallend an das authentische Werk Gonnellis, an die Statue des Hl. Stefan Protomartyr (Florenz, S. Stefano), die Baldinucci erwähnt. Wie wir sahen, steht diese Pietà typologisch der Statue unserer Sammlung am nächsten, deren Technik, das farbige, aber unglasierte Terracottamaterial, sich ebenfalls den Werken Gonnellis anschliesst. Aus diesem Grunde können wir unsere Statue in den Kreis Gonnellis oder in dessen Richtung einreihen. Ihr unbekannter Meister war aber mit mehr Talent begabt als Gonnelli. Er konnte diese volkstümliche Kunstart mit feinem bildhauerischem Gefühl zu einem hohen künstlerischen Niveau erheben. Sein Werk überragt weit die übrigen d'Italia (Giambologna); Venturi, A.: Storia dell'arte italiana. X/2. Milano, 1936. p. 242. (1585—86. Giovanni Bandini.) m pj er Christus von Urbino erinnert sehr stark an die Beweinung Christi in der Sieneser Osservanza, die — nach den Aufzeichnungen Tizios — Giacomo Cozzarelli zugeschrieben wird. Beim Vergleich der beiden müssen wir jedoch überrascht feststellen, dass die sanfte Biegung des Sieneser Christuskörpers eine viel spätere Entwicklungsstufe voraussetzt, als die geraderen, steiferen Linien des Christus in Urbino. Auch die wogende Beweglichkeit der weinenden Gestalten lässt sich schwer mit den 80-er Jahren des 15. Jahrhunderts in Ubereinstimmung bringen. Ob sich wohl die Bemerkung Tizios nicht auf eine frühere, zu Grunde gegangene Gruppe bezieht, an deren Stelle gegen das Ende des 16. Jahrhunderts die jetzige gestellt wurde? 210 Thieme —Becker: Künstlerlexikon. Bd. XIV. Leipzig, 1921. S. 370—371. 211 Fabriczy, C. von: Literaturbericht. Repertórium für Kunstwissenschaft. XXX. 1907. S. 546. (Werk Gonnellis) .