Petrovics Elek szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 9. 1937-1939 (Budapest, 1940)

Jolán Balogh: Studien in der alten Skulpturensammlung des Museums der Bildenden Künste. II.

steht auch dem Tobias (Abb. 66.), einer ande­ren Terrakotta-Gruppe unseres Museums sehr nahe. Der Zusammenhang der letzteren mit der Werkstatt Verrocchios kann kaum bezweifelt werden. Dabei sind aber auch manche Abweichungen zu bemerken. In den aufwärts blickenden Augen Giovanninos drückt sich innige Sehnsucht und sanfte Gefühlswärme aus, was ohne die Berührung mit Leonardos Geist" kaum vorstellbar wäre In dem kleinen, liebreizenden Werk spiegelt sich also — wenn auch in einer sehr individuellen Umarbeitung — der Einfluss Benedetto da Majanos, der Schule Verroc­chios und Leonardos. Es ist aber dennoch schwierig diese Persönlichkeit mit den be­kannten Künstlernamen zu identifizieren. Wir erwähnen den Namen Michèle Mari­nis, 100 des wenig bekannten Meisters aus Fiesole, nur mit Vorbehalt, da wir von ihm bisher nun ein einziges authentisches Stück, die Hl. Sebastian-Statue von S. Maria sopra Minerva in Rom kennen. Allerdings steht der Kopftypus dieses Werkes (Abb. 65.) unserem Giovannino ziemlich nahe. Der Aus­druck und die Formen des aufwärts bli­ckenden, begeisterten Jünglingsgesichtes ver­raten eine verwandte Auffassung und ver­wandten Geist, so dass es vorstellbar wäre, dass unser lieblicher Giovannino ein Früh­werk und der römische Hl. Sebastian ein reifes Werk des gleichen Meisters sein könnte. Wir möchten aber, da keine anderen authentischen Denkmäler 101 vorhanden sind und wir infolgedessen keine weiteren Stütz­punkte besitzen um diesen Zusammenhang zu beweisen, unsere Annahme nicht als be­stimmte Attribution, sondern nur als aufklä­rende Bezeichnung erwähnen. 00 Vgl. mit den Jünglingsfiguren auf den Entwürfen Leonardos zur Anbetung der Könige, weiterhin mit einem Jünglingskopf auf dem Gemälde der Uffizien und dem En­gel auf der Taufe Christi (Bodmer, H.: Leo­nardo. Berlin, 1931. S. 3, 14, 132—133.). 100 Steinmann, E.: Michèle Marini. Zeit­schrift für bild. Kunst. 1903. S. 147.; Cola­santi, A.: Un bassorilievo di Michèle Marini. L'Arte. 1905. p. 201.; Thieme, U.—Becker, F.: Allgemeines Lexikon der bild. Künstler. Bd. XXIV. Leipzig, 1930. S. 106. 101 Die Terrakotta-Statue des Hl. Sebastian im Kunstgewerbe-Museum zu Leipzig ist unter dem Einflüsse der römischen Statue von Marini enstanden (vgl. Mündt, A.: Neu­erwerbungen des Städtischen Kunstgewerbe­Museums in Leipzig. Der Cicerone. 1911. S. 783. Abb. 14.; BiehL W.: Eine Tonstatuette des hl. Sebastian vom Meister der Johannes­statuen. Zeitschrift für bild. Kunst. 1912. S. 171—174.). Unter dem Zauber der Köpfe Leonardos ist der schöne, weissglasierte Engelskopf 103 (Abb. 76., 78.) unserer Sammlung entstan­den, dessen Profil von weichem, träu­merischem Sentimento durchdrungen ist und auch an unseren Giovannino erinnert, ohne dass wir jedoch an den gleichen Meister denken dürften. Seine nächsten Verwandten haben wir nicht im Kreise Verrocchios, son­dern in demjenigen Benedetto da Majanos zu suchen, denn er steht dessen lieblichem Werke, dem schönen Terracotta-Engel in Bergamo (Abb. 79.), sehr nahe. Noch un­mittelbarere Verwandtschaft knüpft ihn an die Engel der Lunette oberhalb der „Porta dei monaci" (Abb. 75.) in der Certosa di Galluzzo (Certosa di Val d'Ema). Der Ge­sichtsausdruck, die Haartracht, der Falten­wurf 103 sind fast völlig gleich. Unser Engel ist im Grunde genommen eine kaum abwei­chende Variante der Engel von der Cer­tosa. Benedetto da Majano hat den San Lo­renzo, die Hauptgestalt der Lunette, im Jahre 1496 modelliert. Es war sein letztes Werk. 10 * Trotzdem dürfen wir die Engel der Lunette 105 und den Engelskopf unserer Sammlung nicht Benedetto selbst zuschreiben, weil in diesen Figuren die rundliche Fülle und heitere Ruhe seiner Gestalten fehlen. Sie müssen von einem seiner Nachfolger stam­men, der asketischer und etwas gefühlvoller veranlagt war und auf den auch Leonardo (Abb. 77.) stark eingewirkt hatte. Die pracht­volle, sehnsüchtig blickende Hl. Sebastian­Statue (Abb. 72—74.) des Museo Civico in Pistoia könnte ebenfalls ein Werk des gleichen, unbekannten florentischen Meisters sein. Leonardos Werke, besonders die von schwär­103 Régi olasz mesterek kiállítása (Ausstel­lung alter italienischer Meister), Budapest, Nemzeti Szalon. 1937. No. 39. (Luca della Robbia); Péter, A.: Esposizione di antichi maestri italiani a Budapest. Corvina. 1938. p. 156. (Luca della Robbia). Den Engelskopf, welcher aus der Sammlung der Gemahlin des Kaisers Friedrich III. stammt, hat Herr Dr. E. Wittmann im Jahre 1938 unserm Museum geschenkt. 103 Die Fältchen um den Hals und die Li­nien des Kragens stimmen vollkommen über­ein. 101 Marquand, A.: A lunette by Benedetto da Majano. The Burlington Magazine. Vol. XL. 1922. p. 128. 103 Marquand (op. cit. p. 128.): „The angels, somewhat more extravagant in their adora­tion than was usual with Benedetto's angels, reflect, however, his mannerism even to the single roses above their foreheads." Die Auf­zeichnung vom 12. August 1496 in den Rechnungsbüchern des Klosters erwähnt die Engel nicht, man zahlt dem Benedetto nur für die Figur des San Lorenzo.

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