Petrovics Elek szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 9. 1937-1939 (Budapest, 1940)

Jolán Balogh: Studien in der alten Skulpturensammlung des Museums der Bildenden Künste. II.

Wesentlichen eine Variation von noch bizan­tini sehen Formen ist und in der Malerei von Siena in den Werken Duccios und Simone Martinis vorkommt, später verschwindet. Ein Engel (Abb. 4.) auf Duccios Maestà (Siena, Museo dell' Opera del Duomo — 1311) bildet gleichei'massen das Vorbild, den Vorläu­fer unserer Statue. In der Schule Duccios, sowie in den Werken Simone Martinis und Ambrogio Lorenzettis hat sich dieser Typus weiterentwickelt und sich somit unserem Engel immer mehr genähert, wie wir das auf Simone Martinis Polyptichon in Cambridge (Abb.. 5.) und auf Ambrogio Lorenzettis Magnanimité (Abb. 6. — Siena, Pal. Pubblico, 1337—1340) beobachten können. Diese Zu­sammenhänge versetzen unseren Engel in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die bron­zene St. Michael-Statue in Orvieto (Abb. 7.), die eine spätere, entwickeltere Variante des gleichen Typus darstellt, bestärkt unsere Datierung. Unser Engelskopf muss vor die­ser Statue, also vor 1356 3 entstanden sein, in einer so frühen Epoche der sienesischen Holz­schnitzerei, aus welcher keine ihm ebenbür­tigen, gleichwertigen Werke erhalten sind. Die Holzgruppe 4 der Verkündigung von Mon­talcino (Abb. 8.), die unserem Kopfe am nächsten steht, ist ungefähr 30—40 Jahre später verfertigt worden, auch die Qualität ist schwächer. Hingegen gibt uns diese Gruppe einen Begriff darüber, wie die Figur unseres Bruchstückes ausgesehen haben muss, obgleich der älteren Stilstufe entsprechend diese noch strenger aufgebaut war. Es ist möglich, dass unser Engelskopf einst eben­falls einer zweifigurigen Verkündigungs­gruppe angehört hat. Solche sind aus dem 14—15. Jahrhundert ziemlich zahlreich er­halten geblieben. 5 Die unsere wäre dann die älteste zwischen allen erhaltenen, aus Holz geschnitzten Verkündigungen. Denkbar wäre aber auch, dass der Engelskopf einst eine St. Michaelsstatue gekrönt habe, die wahrschein­lich den St. Michaelen der damaligen siene­3 Fumi, h.: Orvieto. Bergamo, s. a. p. 55. (Italia Artistica, No. 83.). 4 Die Figur der Maria ist im Jahre 1369, die des Engels im Jahre 1370 entstan­den. Vgl. D'Achiardi, P.: Alcune opere di scultura in legno ... L'Arte, 1904. p. 370. — Mit diesen Werken ungefähr gleichzeitig ist auch die Holzstatue des Erzengels Gabriel (New York, Privatbesitz) verfertigt worden. (Pantheon, 1937. S. 317.). 0 Marie, R. van: L Annunciation dans la sculpture monumentale de Pise et de Sienne. Revue de l'art ancien et moderne. LXV. 1934. p. 111—126, 165—182; LXVII. 1935. p. 88—92. sischen Gemälde" ähnelte. Die fragmentari­sche Erhaltung vermindert jedoch die Bedeu­tung unseres Engelskopfes nicht. Der Adel und die Grosszügigkeit der Formen, die be­geisterte, strahlende Schönheit des Aus­druckes erhebt ihn zwischen die besten Werke der sienesischen Bildhauerei, ja er verkörpert den sienesischen Geist reiner und unmittel­barer als die von Pisa beeinflussten Marmor­Skulpturen. Dieses Werk mutet uns als eine seltene und grossartige Schöpfung der autochtonen sienesischen Holzschnitzerei an, die sich mit der Malerei 7 parallel entwickelt hat. Das Engelsrelief (Abb. II.) 8 unseres Mu­seums, ein Uberrest einer grösseren Kompo­sition, ist ein kaum 10—20 Jahre späteres Werk der sienesischen Skulptur. Im Geist und in der Auffassung steht es der vorer­wähnten Arbeit sehr nahe, aber die Model­lierung ist weicher, der Ausdruck gefühl­voller und zarter. Die Forscher haben die Typen- und Auffassungsähnlichkeit dieses Reliefs mit der gleichzeitigen Malerei, be­sonders mit den Werken Simone Martinis und der Lorenzetti, öfters hervorgehoben. Vielleicht steht es den Kopftypen Ambrogio Lorenzettis 9 am nächsten, den grossflächig gemalten, gefühlvollen Köpfen der Verkün­digung (1344. — Abb. 10.) und des Polyp­tichons der Pinacoteca in Siena. Auch in der gleichzeitigen Skulptur finden wir Analogien. Die Arbeiten Giovanni di Agostinos, das Madonnenrelief in der Kirche von S. Bernar­dino zu Siena, die Madonna des Domes 10 1 Marie, R. van: The Development of the Italian Schools of Painting. II. The Hague, 1924. p. 112, 200, 306. 7 Bezüglich des Parallelismus der Entwick­lung in der Skulptur und in der Malerei vgl. unsern Engelskopf mit der Madonna della Misericordia des Lippo Memmi. (Orvieto, Duomo. — Marie op. cit. II. p. 253.) 8 Lajstrom (Verzeichnis). 1896. S. 4. (flo­rentinische Schule, 15. Jahrh.); Schubring: Katalog der Bildwerke. No. 43. (Siena, 14. Jahrh., der Richtung Pietro Lorenzettis nahestehend); Schubring: Ital. Renaissance­plastik in Budapest. S. 100. (Siena, 14. Jahrh., entspricht der Art des Pietro Lo­renzetti oder des Barna Senese); Meiler op. cit. No. 43. (sienesischer Meister, 14. Jahrh.); YbZ, E.: A gótikus szobrászat Olasz­országban (Die gotische Skulptur in Italien). Budapest, 1923. S. 83. (sienesische Arbeit, der Kopftypus erinnert an die Typen von S. Martini und L. Memmi); Balogh: Die alten Bildwerke. S. 197. (sienesische Arbeit, Amb­rogio Lorenzetti nahestehend). 9 Vgl. Marie op. cit II. p. 402, 421, 422, 425. 10 Valentiner, W. R.: Observations ön sie­nese and pisán trecento sculpture. The Art Bulletin. IX. 1926—27. p. 191. Fig. 17.

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