Hedvig Győry: Mélanges offerts a Edith Varga „Le lotus qui sort de terre” (Bulletin du Musée Hongrois des Beaux-Arts Supplément 1. Budapest, 2001)

MAYA MÜLLER: Schönheitsideale in der Ägyptischen Kunst

wie die zahlreichen Parallelen an den seit der 12. Dynastie geläufigen, nack­ten weiblichen Weihfigürchen zeigen. Weiblich ist auch die Menit-Kette der Hathor, die für den Körper oder die Gebärmutter der Göttin steht und die wir zu den symbolischen Auslösern zählen können. Dem stehen an CG 395 die betont männlichen Attribute wie der Naturbart, das Pantherfell und der muskulöse Oberkörper gegenüber. Wir finden also erstmals am König eine sehr kühne Kombination von männlichen und weiblichen Geschlechtsmerk­malen teils physischer, teils symbolischer Art. Im Fall der Nilgottdyaden ist die Rolle Amenemhats III. als doppelgeschlechtiger, väterlich-mütterlicher Befruchter und Versorger des Landes angedeutet, im Fall der Statue mit Menit-Kette und Pantherfell der göttliche Verführer. Wir haben uns wohl eine Art männliches Gegenstück zu Hathor vorzustellen, das durch eine partielle Identifikation mit der Verführerin zustande kommt - eine offenbar ad hoc erfundene und sonst nicht existierende Rolle. In beiden Fällen erscheint der König als ein Gott, der in sich männliche und weibliche Attraktivität und Potenz vereinigt. Wir möchten aber einmal mehr daran erinnen, dass die erwähnten ikonographischen Elemente ausser den für unseren Zusammenhang relevanten noch ganz andere Bedeutungen haben können, die hier nicht zur Diskussion stehen. Jedenfalls ist das beschriebene Phänomen absolut einma­lig in der ägyptischen Kunst. Eine weibliche Person, die die Geschlechtergrenze überschreitet, ist im Mit­tleren Reich nur die Göttin Seschat, die seit frühdynastischer Zeit oft das Panther­fell trägt. Aus der Pyramidenanlage Sesostris' I. in Lischt stammt ein Relieffrag­ment, das das Thema variiert. Es enthält den oberen Teil der sitzenden Göttin, die als Mann im Götterschurz dargestellt ist (Brooklyn Museum 52.129). 6 * Seschat ist hier fast nur noch an ihrem Symbol, das sie auf dem Kopf trägt, als Frau erkennbar. Die lange, dreiteilige Perücke hat zwar die für Göttinnen übliche Form, ist aber nicht untrüglich weiblich; auch wenn die dreiteiligen Perücken männlicher Got­theiten meist in Details davon abweichen, sind einige doch fast identisch. Nun zu den literarischen Quellen betreffend Locken- und Zopffrisuren aus dem Alten und Mittleren Reich, die zur Erklärung des Phänomens beitragen können, und zu den frühen Darstellungen. Reiche Frisuren werden bereits in frühdynastischer Zeit abgebildet, um dann aber während Jahrhunderten auszu­"" Seschat-Relicf: Brooklyn Museum 52.129 (Ägyptische Kunst aus dem Brooklyn Museum, Berlin Ägyptisches Museum der Staatlichen Museen Preussischer Kulturbesitz, Berlin 1976, Nr. 19.

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