Hedvig Győry: Mélanges offerts a Edith Varga „Le lotus qui sort de terre” (Bulletin du Musée Hongrois des Beaux-Arts Supplément 1. Budapest, 2001)
SIGRID HOEDEL-HOENES: Afrikanisches Gedankengut im Mundöffnungsritual
perseele" bezeichnet werden kann und deren Macht an ein bestimmtes Organ gebunden ist 58 und der "freien Seele" wie sie Wundt 59 nennt. Letztere besteht nach den Vorstellungen vieler afrikanischer Völker aus mehreren Substanzen, z.B. Körper, Lebenskraft und "Seele". Die Benennungen können dabei variieren. So werden bei den Sotho der Körper, ein körperloses Etwas, das in Herz und Kopf seinen Sitz hat, und der Schatten angeführt. Westsudanesische Völker kennen die Dreiteilung des Menschen in einen sterblichen Körper, ein inneres Gegenüber (ein Double) und eine bewirkende Lebensursache. Im Kongo unterscheiden die Mbala und Nyongo Körper, Doppelgänger, Lebensseele und Schatten. Bemerkenswert ist, daß die Seele Freiheit und Personheit besitzt. Sie existiert nach dem Tode weiter als "Seele außerhalb". 60 Die Seele ist bereits zu Lebzeiten in der Lage, den Menschen zeitweilig zu verlassen. Bei den Dan geschieht das im Traum, beim Tode sowie wenn sich die seelische Kraft als Hexe personifiziert. Diese Eigenschaften werden bisweilen mit der Schattenseele in Verbindung gebracht, auch mit der unvergänglichen Lebensseele. "Schattenseele" ist natürlich nicht gleichzusetzen mit "Schatten". Die Vorstellungen, was die Seele nach dem Tode erlebt und erleidet sind verschieden. Es gibt diverse Aufenthaltsorte der Seele. Eine häufige Vorstellung ist jedoch, daß sie noch eine Zeitlang bei dem Toten weilt oder zumindest in seiner Nähe. Schwäche der Seele kann mit guter Pflege überwunden werden. Die Zulu bezeichnen die Seele als "Schläfer", sie ist wahrscheinlich körperlos gedacht. Erst nach vollzogenen Zeremonien wird diese Seele dann zu einem körperlichen Ahnengeist. Ist die Seele dann in der Unterwelt angelangt, so gleicht das Leben dort dem sozialen Leben des Verstorbenen. Man darf sagen, daß ziemlich alle Stämme Afrikas mit einer Postexistenz der Seele rechnen, allerdings in verschiedenen Formen, die von einer angenehmen Existenz bis zu einem Weiterleben als ruheloses Gespenst reichen kann. Es sind diese Vorstellungen, die spontan an ägyptische Beschreibungen des Jenseits, an Vorstellungen der Unterweltsbücher gemahnen und daran erinnern, daß die ägyptische Hochkulfur in Afrika entstand und es denkbar ist, daß sie uralte religiöse afrikanische Vorstellungen barg, bewahrte und weiterentwickelte. Zeremonien, die die Seele zu einem richtigen 58 cf. Dammann, a.a.O. (Anm. 45), S. 10 ff. 59 W. M. Wundt, Völkerpsychologie, Leipzig 1900-1909, II, 2. S. Iff. 60 V. d Leeuw, a.a.O. (Anm. 40). S. 311 f.