Hedvig Győry: Mélanges offerts a Edith Varga „Le lotus qui sort de terre” (Bulletin du Musée Hongrois des Beaux-Arts Supplément 1. Budapest, 2001)

SIGRID HOEDEL-HOENES: Afrikanisches Gedankengut im Mundöffnungsritual

Menschen, wo auch nur die Traumseele fliegt. Die uralte Vorstellung vom Ver­lassen des Körpers durch die Traumseele wirkt hier weiter. 55 Es scheinen sich ähnliche Vorstellungen hinsichtlich des Traumes bzw. des Schlafes bereits in Altägypten zu finden zumindest ansatzweise. Dokumente im Britischen Museum, die Bitten an eine Gottheit enthalten, sagen, daß der Bittsteller Diener des Gottes wird, zusammen mit seinen Kindern und Enkeln, daß er monatlich eine Summe Geldes an die Priester zahlt und daß er sich verpflichtet, den Tempelbezirk nicht zu verlassen. Dafür soll die Gottheit ihn vor den verschiedensten übernatürlichen Einflüssen schützen. Bei der Aufzäh­lung der negativen Einflüsse, bzw. Erscheinungen, ist von einem rm e-f sdr, einem Schläfer die Rede ("may be a somnambulist or the spirit of a man asleep, which has left the body during sleep and may be mischievous"). 56 Solche Berichte weisen auf einen psychischen Entwicklungsprozeß hin, in dessen Ver­lauf dem Menschen ein Zuwachs an psychischer Energie zuteil wird. 57 Warum sollten nicht ägyptische Priester zu ähnlichen Erfahrungen befähigt sein? Natürlich ist ein Schamanentum in dem von Lommel beschriebenen Sinn in Ägypten nicht nachweisbar, aber könnten nicht besonders sensibilisierte Men­schen zu Empfindungen und Erlebnissen befähigt gewesen sein, die sich dann in den Berichten wie dem des Sem niederschlugen? Schriftliche Aufzeichnun­gen über solche Erfahrungen dürften kaum je gemacht worden sein. Die Möglichkeit, daß der Ägypter ein uranfängliches, "primitives" Erbe bewahrt hat und noch fähig war, solche Erfahrungen im Unterbewußtsein zu erleben, muß jedoch in Betracht gezogen werden. Sie werden bei ihm schon den "Nor­men" angepaßt - aber sie könnten erlebt worden sein. Es gibt Erlebnisse, die sich rein verstandesmäßig nicht erklären lassen, die aber auch nur zu einem Teil der Zensur des Unbewußten unterliegen und dadurch den Normen wenig oder gar nicht entsprechen. Andererseits können solche Erfahrungen aber auch gewollt normenkonform herbeigeführt werden - man denke nur an die christlichen und islamischen Mystiker. Zum weiteren Verständnis der altägyptischen Auffassung sollten am ehesten die afrikanischen Vorstellungen helfen, die geographisch am nächsten liegen. Sie unterscheiden zwischen der "gebundenen" Seele, die auch als "Kör­Hermanns, a.a.O. (Anm. 44) S. 171. pBM. Eg. 10622, Zeile 12, und pBM. Eg. 10624, Zeile 18. Dies läßt auf die Vorstellung der Freiheit der Seele schließen. H. Thompson, Two Demotic Self-Dedications, JEA 26 (1940), S. 68-78, bes. 70, 72 und 77 (Anm 6). Lommel. a.a.O. (Anm. 46) S. 159.

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