Hedvig Győry: Mélanges offerts a Edith Varga „Le lotus qui sort de terre” (Bulletin du Musée Hongrois des Beaux-Arts Supplément 1. Budapest, 2001)
SIGRID HOEDEL-HOENES: Afrikanisches Gedankengut im Mundöffnungsritual
sind hier die Anklänge an ägyptische Vorstellungen. 48 Der Schläfer, oder genauer dessen Seele, die im Nun weilt, findet ihre Parallele im Wasser, in dem Ungud ist. Schläfer und Toter treffen sich dort. Im Mundöffnungsritual, wo diese schöpferischen Urträume kanalisiert und standardisiert sind, wird das Fortgehen und Zurückkommen ritualisiert. Man kommt von dort und man geht dorthin wieder zurück. Die Entstehung aus dem Nun ist im sog. Apophisbuch überliefert, 49 das Eingehen am Ende im Totenbuch 50 beschrieben. Archetypische psychische Erlebnisse und Fähigkeiten liegen diesen Handlungen zugrunde, die offensichtlich im Menschen immanent waren und sind zumindest wenn er noch eine Beziehung zum "wilden Teil" in sich hat. Dazu kommt die geläufige Meinung, daß die Seele des Menschen im Traum nicht unbedingt im Körper anwesend sein muß. Man darf deswegen einen Schlafenden nicht wecken, da seine Seele abwesend ist und ihre "Heimstätte" nicht mehr finden könnte, was das Ende des Betreffenden bedeutet. Dieses Gedankengut ist auch in Ägypten lebendig: "It is a common belief in Egypt....that the soul can leave the body during sleep. It is therefore considered unsafe to wake anyone suddenly for fear the soul should not have time to return to the body of the sleeper. Such awakening must be done very slowly, so as to give the soul ample time to return." 51 Mit dieser Vorstellung bewegt sich der Ägypter nicht im Bereich des Aberglaubens, sondern in der mythischen Vorstellungswelt. Selbst der Koran 52 und Augustinus 53 kennen solche Ideen und auch in der Hermetik ist die Eigenständigkeit der Seele geläufig. Während der Körper ruht, befindet sie sich an einem eigenen Platz. Wenn sie Zuneigung zu dem Körper hegt, in dem sie sich aufhält, offenbart sie gute oder schlechte Jahre, die kommen werden in dem, was wir Traum nennen. Dann kehrt sie zurück zu ihrer eigenen Behausung, weckt den Körper und erklärt den Traum. 54 Ähnliche Phänomene werden berichtet vom Fliegenlernen des ,s de Buck, a.a.O. (Anm. 13), S. 5-13. 49 pBM 10188. Tb. Spruch 175. 51 W. Blackman, The Fellahin of Upper Egypt, London 1927, S. 225. Material zur external soul bei v.d. Leeuw, a.a.O. (Anm. 40), S. 2681". 52 Sure 39, 42. "Gott beruft die Seelen ab, wenn sie sterben, und diejenigen, die noch nicht gestorben sind, während sie schlafen. Diejenigen, deren Tod er beschlossen hat, hält er dann zurück, während er die anderen auf eine bestimmte Frist freigibt." Diyaad-Din al Gaziri führt drei Lehrmeinungen an: einmal, die Seele verlasse den Körper während des Schlafens, dann, daß dies nicht möglich sei und als drittes dies sei möglich oder nicht. Chcrifa Magdi, Die Kapitel über Traumtheorie und Traumdeutung aus dem Kitab at-tahrirfi'ilm at-tafsir des Diya'dad-Din al Gaziri, Freiburg 1971, S. 95-97. D Augustinus, De Civitate Dei XVIII, 18. v.d. Leeuw, a.a.O. (Anm. 40), S. 268f. 54 In den Cyranidcn. Zitiert nach G. Fowden, The Egyptian Hermes, Cambridge 1986, S. 88-89.