Csaplár Ferenc szerk.: Lajos Kassák / Reklame und moderne Typografie (1999)
Ausstellung der Buch- und Reklamekunst
AUSSTELLUNG DER BUCH- UND REKLAMEKUNST Am 12. April wurde die erste Ausstellung der Gesellschaft der Ungarischen Buch- und Reklamekünstler eröffnet. Unter den Ausstellern gibt es kaum einen, der als Urheber auf irgendeinem Gebiet der grafischen Kunst dem kulturell interessierten ungarischen Publikum nicht schon von früher her bekannt wäre, trotzdem müssen wir diese Ausstellung als neue, große Präsentation aller Teilnehmer ansehen. Die Künstler sind solcherart, im großen Ensemble, miteinander in neue Beziehung getreten, und es spielt sich unter ihnen gleichsam ein edler Wettstreit vor den Augen der Öffentlichkeit ab. Der Laienbetrachter und der mit Reklamen arbeitende Geschäftsmann ist auf die Meinung oder eventuelle Voreingenommenheit des „professionellen" Kritikers nicht angewiesen. Wer sehen kann und sich die Ausstellung anschaut, vermag darin selbst mit den Augen eines Laien Werte zu entdecken, die nicht nur nach ungarischen, sondern auch nach europäischen Maßstäben Zuwächse bedeuten. Das ist ein großes Wort, und es ist in Anbetracht unserer allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse eine überaus erfreuliche Erscheinung. Etwa dreißig Buch- und Reklamekünstler nehmen an der Ausstellung teil. Jeder von ihnen ist augenscheinlich mit seinen besten Arbeiten vertreten, und die Ausstellung ist mit all ihren Fehlern und Tugenden allein schon deswegen ein repräsentatives Phänomen unseres künstlerischen Lebens. Die ausstellenden Künstler gehören nicht einer einzigen Richtung an, aber jeder von ihnen hat eine Botschaft und ist auch befähigt, diese in der Formensprache der Kunst und mit charakterhafter Individualität mitzuteilen. Die Klarheit der Gesamtansicht wird durch die unterschiedlichen Bestrebungen in der Form nicht beeinträchtigt, das generelle Niveau wird durch die Qualität der einzelnen gewährleistet. Das ausgestellte umfangreiche Material steht, von welchem Aspekt man es auch betrachtet, oberhalb der Mittelmäßigkeit, und einzelne Stücke mancher Teilnehmer gehören zu den schönsten Werken der modernen Reklamekunst. Unter den Exponaten haben die Plakatwerke das Übergewicht, sie dominieren mit ihren Ausmaßen und Farben den Raum. Vom kritischen Aspekt haben wir in erster Linie die Arbeiten von Robert Berény und Sándor Bortnyik zu bewerten. Robert Berény war schon längst ein namhafter Maler, als er mit seinen ersten Plakaten vor die Öffentlichkeit trat, und man könnte sagen, er war gleich mit dem ersten Schritt arriviert. Er brachte eine neue Farbe in die Budapester Straßen, eine Art von reinem, heiterem Humor, und vermutlich liegt in dieser heiteren Lebensbetrachtung zugleich das Geheimnis seines plötzlichen Erfolgs. Er ist ein durch und durch moderner Künstler, macht jedoch keinen Gebrauch von den sich leicht anbietenden Tricks der Modernität. Er arbeitet mit elementaren Farben, seine Formen sind extrem vereinfacht, und seine Aussage ist fast stets durch ein episches Element angereichert. Mit seinen Plakaten will er nicht nur optisch wirken, er dringt in den Gemütszustand des Betrachters ein und stößt bis zu intellektuellen Motivationen vor. Augenscheinlich beschränkt sich Berény nicht auf das Entwerfen und Malen, sondern er psychologisiert auch, wenn er Plakate macht. Von seiner besonderen Ausdruckskraft zeugt, daß er diese reiche innere Skala-in seinen ansonsten mit einfachen Mitteln und nach den Gesetzen der Fläche entworfenen Plakaten - nicht selten restlos umzusetzen und zu synthetisieren vermag. Trotz seiner Einstellung als Maler verrennt er sich nie in Bildhaftigkeit, und seiner epischen Veranlagung zum Trotz wird er nicht unkonzentriert geschwätzig. Er charakterisiert die zu lösende Aufgabe mittels ein, zwei entschiedener Formen und mit ein, zwei elementaren Farben. All das kann so nur einem intuitiven Künstler gelingen. Und Berény ist ein mit überlegener kritischer Kultur ausgestatteter intuitiver Künstler. Verglichen mit Berénys Ausgangspunkt war der von Sándor Bortnyik ein ganz anderer, und eine ganz andere ist auch seine Arbeitsrichtung. Seine Individualität ist nicht die des Malers. In seinen gelungensten Plakaten steht er ebenfalls eher dem Kunstgewerbe nahe. Diese seine Disponiertheit bestimmt auch die Starrheit seiner Kompositionen und den kalten Obeflächenwert seiner Farben. Für Berény ist die Fläche nur eine der Konstituenten des Plakatganzen; bei Bortnyik erweist sich diese Fläche als ein Feld, das zugebaut, besser gesagt: zudekoriert werden muß. Er baut seine Farben und Formen nicht aus der Fläche heraus auf, sondern überzieht gleichsam die Fläche mit seinen Botschaften, darum wecken die meisten seiner Arbeiten im Betrachter den Eindruck weder der Tiefe noch der inneren Geschlossenheit. Seine Farben sind nicht mehr als Farben und seine Formen nicht mehr als Formen, es fehlt ihnen an hintergründiger Wirkungskraft der Intuition, an Suggestivität des schöpferischen Künstlers. Das sag ich nicht, um Bortnyik abzuwerten, sondern ich versuche lediglich den Ckarakter seiner Individualität und die Position seines Schaffens aus Anlaß der Ausstellung zu bestimmen. Bortnyik wird gewöhnlich als Vertreter des Bauhauses in Ungarn angesehen. Seine „modernen" Kritiker konstatieren, wenn sie über ihn sehr Gutes sagen wollen, große Fachkompetenz mimend, er arbeite im Bauhaus-Stil. Dabei steht er der trockenen und auf monumentale Einstellung bedachten grafischen Gestaltung in der „Gebrauchsgrafik" zweifellos viel näher. In der Anlage einer effektvollen Fleckenverteilung und der äußeren Formen hat er von den Bauhaus-Leuten viel gelernt, aber all das ergibt nicht das Wesen seiner Werke. Handwerkliches Können und statische Ausgewogenheit machen seine größten Werte aus. Der dritte Plakatkünstler, der auf die modernen Richtungen hin experimentiert, ist Albert Kner. Ähnlich wie bei Bortnyik findet sich in seinen Arbeiten wenig Erlebnishaftes, seine Botschaften in der Formensprache des Plakats sind nicht kompakt, sondern wortkarg. Selbst seinen gelungensten Arbeiten ist die kunstgewerbliche Erziehung anzusehen. Die Fläche, als Gegebenheit genommen, hält seine Phantasie in Fesseln und zwingt seine schöpferische Fähigkeit zu kunstgewerblichen Kniffen. Die übrigen Plakatkünstler betätigen sich im Geiste älterer Bestrebungen, aber - wir sagten es oben schon sie erheben sich alle über das Durchschnittsniveau. Lajos Csabai-Ékes, József Gróf, Ernő Jeges, Gyula Kaesz und Gusztáv Végh sind wohlbekannte und ernsthaft respektable Repräsentanten unserer mit großem Elan sich entwickelnden Reklamekunst. 23