Csaplár Ferenc szerk.: Lajos Kassák / Reklame und moderne Typografie (1999)
Ausstellung der Buch- und Reklamekunst
József Pécsi ist in der Ausstellung mit Fotoplakaten vertreten. Als Grafiker und ein auf malerische Effekte hinarbeitender Meister steht Pécsi unter unseren Fotografen vielleicht in allererster Reihe. Die amerikanischen, die russischen und die auf Sachlichkeit bedachten neuen fotografischen Experimente allgemein haben jedoch das gedämpft Malerische in der letzten Zeit weit hinter sich gelassen, und so sind die gestrigen Salon-Meister von heute auf morgen außer Acht geraten, oder aber sie begriffen und erspürten die neuen Möglichkeiten des Fotografierens und gliederten sich in den Verlauf der Weiterentwicklung ein. Pécsis ausgestellten Fotos sind sachlich, auf Schärfe eingestellt und sorgfältig ausgearbeitet. Und doch sind sie bei aller handwerklichen Vorzüglichkeit noch keine Fotoplakate. Die Kompositionen selbst sind zufälliger Art, oder von irrigen Überlegungen angeregt. Das fotografierte Material an sich kommt erstklassig zur Geltung, es verfehlt jedoch die einheitliche Wirkung, und im schlecht entworfenen Ensemble büßen oft auch die gegenständlichen Abbildungen ihre Suggestivität ein. Vom Aspekt des Plakats und der Form-Linien-Komposition stellt lediglich das Blatt mit der Aufschrift „Tungsram" fertige Resultate dar. Pécsi sollte im Sinne der Gesetze arbeiten, die hier sichtbar werden. Seine heutigen Plakate haben noch keinen demonstrativen Charakter. Mit den Kriterien der deutschen illustrierten Zeitschriften gemessen handelt es sich freilich um sorgfältig bearbeitete und ästhetisch perfekte Fotografien. Auf dem Gebiet der Buchkunst bieten Dezső Fáy, Álmos Jaschik, Lajos Kozma, László Reiter und Gusztáv Végh ein interessantes Material von wirklichem Niveau dar. Keiner von ihnen markiert eine neue Richtung der Entwicklung, aber ihre Produkte sind in ihrer Art und in ihrer künstlerischen Bedeutung fertige, wertvolle Arbeiten. Diese wenigen Leute repräsentieren heute bei uns das europäische Niveau in der Buchkunst, ihre grafische Kunst ist mehr als Illustration im alltäglichen Sinne, und Imre Kners typografisches Können und seine Resultate im Buchdruck rangieren in der Branche ganz vorne in Ungarn. Hier ist auch noch Erzsébet Kner als großartige Meisterin der Buchbindekunst zu nennen. Ihre ausgestellten Einbände sind stoffgerecht, in ihrer Ausarbeitung präzis und ästhetisch. Sie verwechselt die Aufgabe des Buchbinders nicht mit der des Dekorateurs, für sie sind Bücher keine Nippes, sie weiß, daß Bücher Gebrauchsgegenstände sind, deren Einband folglich sorgsame Bearbeitung erfordert. Alle ihre Exponate sind frei von individuellem Künstlergehabe und Ergebnisse vorzüglich kultivierter Werkstattarbeit. Die Gestaltung moderner Buchtitelblätter und Fotomontagen ist durch László Moholy-Nagy, Farkas Molnár und den Verfasser dieser Zeilen vertreten. Moholy-Nagy und Molnár nehmen leider mit sehr wenig Material an der Ausstellung teil, und so kann sich der Laienbetracher von den wahrhaften Fähigkeiten der beiden hervorragenden Künstler kaum überzeugen. Die Veranstalter hätten dafür sorgen müssen, daß die Lebenswerke dieser beiden Männer möglichst auch dem zahlenmäßigen Anteil nach angemessen dargeboten werden. Der Verfasser dieser Zeilen ist an der Ausstellung mit etwa fünfzig Arbeiten beteiligt. Über mich selbst kann ich keine Kritik schreiben, weil dies „mit der bisherigen Praxis unvereinbar wäre". So viel möchte ich lediglich bemerken: Einige der ausgestellten Blätter halte ich auch nach meiner Selbsteinschätzung für gut. Ein Kennzeichen meiner Arbeiten ist, daß sie im kommerziellen Reklamematerial der Ausstellung die gesellschaftliche Propaganda repräsentieren. Neben den arrivierten Künstlern gilt es auf die Schüler der einzelnen Meister gesondert hinzuweisen, es gibt unter ihnen viele entwicklungsfähige und zu Hoffnungen berechtigende Begabungen. Hervorheben würde ich insbesondere die Schule von Bortnyik. Summa summarum: Wir begrüßen freudig die erste Ausstellung der Buch- und Reklamekünstler. Wir haben uns über diese substantiell und auch quantitativ wertvolle Produktion sowohl von künstlerischem als auch von gesellschaftlichem Gesichtspunkt zu freuen. Es ist hierzulande ja doch nicht alles versumpft und nicht alles verrottet unter dem Druck der Reaktion und des kleinkarierten Asfalt-Zynismus. Unter der beängstigenden Oberfläche keimen frische, lebendige Kräfte, und es ist nur eine Frage der Zeit, daß diese Kräfte, die einen neuen Optimismus und neue Gewißheiten bedeuten, in der Kunst wie auch in der Politik und in der Ökonomie destruierend und konstruktiv ihre Rollen wahrnehmen. SZÁZADUNK [UNSER JAHRHUNDERT], MAI 1930, S. 291-294 24