Csaplár Ferenc szerk.: Lajos Kassák / Reklame und moderne Typografie (1999)

Weg zur elementaren Typografie

WEG ZUR ELEMENTAREN TYPOGRAFIE Heutzutage kann bereits mit den Mitteln der Wissenschaft ebenso wie auf Grund unserer Erfahrungen nachgewie­sen werden, daß der Weltkrieg nicht bloß in materieller, son­dern auch in geistiger Hinsicht der Menscheit ungeheueren Schaden zugefügt hat. Die in den Militärdienst gestellten Personen wurden zu Hunderttausenden hinweggerafft, und mit anderen Mitteln und unter anderen Formen wurden ebenfalls zu Hundarttausenden jene vernichtet, denen es aus irgenwelchem Grunde oder auf irgendwelche Weise gelungen war, sich der unmittelbaren Kampflinie zu entzie­hen. Verhältnismäßig sehr gering ist die Zahl derer, die ohne physische oder geistige Verletzung die fünf Jahre des Welt­krieges überstanden haben. Diese allgemeine Erschütte­rung mußte nun auf sämltichen Betätigungsgebieten der bürgerlichen Gesellschaft allgemeine Veränderungen mit sich führen. Nach dem furchtbaren militärischen Drill folgte das furchtbare bürgerliche Chaos. Und es folgten die politi­schen Revolutionen, die wirtschaftlichen Zusammenbrüche und jene Konjunkturen des Freihandels, welche alles zu verschlingen drohten. Die Welt bot ein Bild, als stünde der endgültige Zusammenbruch der physischen Gesundheit und der geistigen Kultur vor der Tür. Aber das Leben fordert jenseits der pessimistischen Weltbetrachtung der Philoso­phien seine Rechte, und wir sind heute bereits bei einem neuen Abschnitt der Möglichkeiten angelangt. Die politi­schen Agitatoren, die wirtschaftlichen Organisatoren und die Reklamemacher des Handels sind unter uns erschienen. Im Rahmen dieses Artikels interessiert uns von den erwähnten drei Typen in erster Linie die prinzipielle und praktische Bedeutung der Reklamemacher und ihre Tätigkeit. Die Zeit der Konjunkturen ist vorüber. Jeder denkende Kaufmann muß sich dessen bewußt sein, daß der Wert der produzierten Ware wiederum durch die Qualität bemessen wird, auch muß er sich dessen bewußt sein, daß er zur Erleichterung der Warenplazierung auch die ehrlichgemeinte und bewußt angewandte Reklame als unentbehrliches Element in sein Geschäft mit einbeziehen muß. Die Bestimmung der ehrlich gemeinten und bewußter­maßen zweckmäßig eingesetzten Reklame besteht darin, die in Umlauf gebrachten, produzierten Waren dem konsu­mierenden Publikum zur Kenntnis zu bringen und die Auf­merksamkeit des einkaufenden Publikums auf den Zwischen­handel zu lenken. Das ist keine leichte Aufgabe. Die Reklame­manöver des Konjunkturhandels haben mit der geschäftli­chen Unorientiertheit und dem guten Glauben des einkau­fenden Publikums übermäßigen Mißbrauch getrieben, und es wird noch geraume Zeit dauern, bis das große Publikum die Reklame nicht als eine Form der Beschwindelung, son­dern als ein, der gemeinsamen Sache des Käufers und Ver­käufers dienendes, unentbehrliches Mittel des kommerziel­len Lebens betrachten wird. Es gehört zu den dringendsten Aufgaben der Kaufmann­schaft, dem Begriff der Reklame jedweden unanganehmen Nebenschmack zu nehmen und Rundschreiben, Prospekte und Plakate im Interesse ihres geschäftlichen guten Rufes der Wahrheit entsprechend herstellen zu lassen. Ein guter Kaufmann muß wohl wissen, daß die Bestimmung der zeit­gemäßen Reklame nicht im „Ködern" des Käufers besteht. Warenhausprospekt. 1926 / Kat. 78. Die richtige Reklame versucht einzelne Mitglieder des Pub­likums nicht zum einmaligen Kauf zu ködern, sondern will die allgemeine Aufmerksamkeit des Publikums auf die Qua­lität, Verwendbarkeit und Billigkeit der Ware lenken. Eben darum erfordert die moderne Reklame psychologische Ver­tiefung, kommerzielle Ehrbarkeit und erstklassige fachliche Gewandtheit, sowohl vom Verfertiger, als auch vom Verwen­der der Reklame. Wenn wir über die Quantität und Qualität der in den letz­ten Jahren herausgegebenen Fachbücher und Fachzeitsch­riften eine Statistik aufstellen wollten, so würden neben der technischen und baukundlichen Literatur die über die Aus­führung der Reklame und über die praktischen Methoden der Reklame handelnden Fachbücher in die dritte Zahlen­gruppe kommen. Diese Fachbücher weisen gleichzeitig hun­dert Beziehungen dieser unendlich einfach erscheinenden fachlichen Frage auf. Heutzutage werden die künstlerischen Möglichkeiten und gesellschaftlichen Notwendigkeiten des Reklamemachens nicht bloß seitens der Vertreter des Han­dels, sondern auch seitens ästhetischer Kritiker und sich auf den Gebieten des wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Lebens betätigender Soziologen anerkannt. Heutzutage steht es bereits außer Zweifel, daß die gute Reklame schön und in gesellschaftlicher Hinsicht unentbehrlich ist. Die Rek­lame hat der Handel hervorgebracht, der Handel jedoch ist eine Folge der sich ständig steigernden Lebensansprüche. Wenn jemand über die durchschnittliche europäische Rekla­me heute ein strenges Urteil abgeben wollte, müßte er na­11

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