Déry Tibor: Knockout úr útijegyzetei. Elbeszélések 1930–1942. Erzählungen aus den Reiseerlebnisse des Mr. Knockout (Déry Archívum 3. Petőfi Irodalmi Múzeum, Budapest, 1998)

Deutsche Texte

Die Schuhe M ichael Kiss, Schustergehilfe, seit zwei Jahren arbeitslos, wurde am 20. Mai 1937, nachts zwischen 11-12 Uhr, in der Unterführung der Bulcsu-ucca von vier unbekannten Männern angehalten. Der Ort, an dem der Überfall geschah, ist schwach beleuchtet, so daß Michael die Gesichtszüge der vier Übeltäter weder entziffern, noch weniger behalten konnte. Sie warfen ihn zu Boden, hielten ihn an Händen und Füßen fest, doch als sie seine Taschen untersuchten und weder Uhr, Messer, noch Geld fanden, zogen sie ihm, so wild er sich auch wehrte, die frisch gesohlten Schuhe aus. Michael hat rote Haare, eine breite Stülpnase und kleine, blaue, gutmütig blinzelnde Augen. Sein Gesichtsausdruck wirkt immer etwas verdutzt, in den letzten zwei Jahren, die er arbeitslos verbrachte, ist es stets, als ob er etwas fragen wollte, doch schien ihm niemand geeignet, die Frage zu beantworten. Mit diesem verdutzten Gesicht und vor Zorn geröteter Stirne begab er sich in der Nacht des Überfalls in die nächste Polizeistube und wies auf seine unbedeckten Füße hin. Auf die gutgläubig vorgebrachte Frage, innerhalb welcher Zeit ihm die Polizei die Schuhe wieder verschaffen könnte, antwortete man ihm, daß es nur eine Frage von Zeit, von 300 bis 400 Jahren sei, da die Polizei, wenn man ihr Zeit lasse, bekanntlich alles ans Licht bringe. Michael war nicht einfältig; die erhaltene Antwort ließ ihn ebensowenig ruhen, wie das erlittene Unrecht selbst. Die Tatsache der fehlenden Schuhe setzte ihm hart zu, doch sein scharf ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl litt ebenso unter dem Bewußtsein, daß es Ungerechtigkeiten geben könne, die nicht gutgemacht werden. Zu Hause, wo er mit Frau und Nachbarn die Angelegenheit besprach, erwartete ihn dasselbe barte, ironische Echo, wie in der Polizeistube; das verblüffte ihn einerseits, andererseits erboste es ihn und reizte ihn zu Widerstand, denn Michael war ein einfacher, aber hartnäckiger Kerl. ­Glaubst du, man kann in einer so großen Stadt ein Paar armselige Schuhe wiederfinden! - sagte die Frau, die täglich zehn Stunden in einer Schokoladefabrik arbeitete und mit ihrem armen Erwerb Mann und Kind ernährte. Oder daß die Polizei keine anderen sorgen hat, als deinen Schuhen nachzulaufen! - Dem hielt Michael entgegen, daß die Polizei eben dazu da sei, um Ordnung zu wahren, und daß sie unter allen Umständen jeden Dieb einfangen müsse, denn wenn sie nur einen einzigen

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