Déry Tibor: Knockout úr útijegyzetei. Elbeszélések 1930–1942. Erzählungen aus den Reiseerlebnisse des Mr. Knockout (Déry Archívum 3. Petőfi Irodalmi Múzeum, Budapest, 1998)

Deutsche Texte

ausließe, wäre es eine blutige Ungerechtigkeit allen anderen gegenüber, die für ihre Tat büßen müßten. Doch die Frau, die morgens um fünf in die Fabrik sollte, hatte wenig Sinn für moralische Spitzfindigkeiten. Michael mußte zu Bett, er seufzte laut, als er sich die Schuhe ausziehen wollte und auf seinen Füßen keine vorfand. Es waren seine einzigen gewesen, fast neu gesohlte, kräftige, gute Schuhe. Den nächsten Tag wickelte er die Füße in Sackleinwand und begab sich in die Polizeistube, wo er aber vom Inspektor kurzerhand, mit ungeduldigem Achselzucken abgefertigt wurde. Er versuchte mit dem Wachtmeister in ein Gespräch zu kommen, der aber zwierbelte seinen Schnurrbart hoch, warf Michael einen belustigten Blick zu und gab ihm den Rat, sich zum Teufel zu scheren. Der Schustergehilfe mit den gutmütig blinzelnden Augen machte ein verdutztes Gesicht und ging zur Polizeidirektion in der Zrinyi-ucca, von dort begab er sich zum Bezirksvorstand, lungerte einige Stunden in den Gängen herum, fing alle Beamten, Schreiber und Diener ab, deren er habhaft werden konnte, wunderte sich über ihren Zorn oder ihr mitleidiges Lächeln und ging schließlich, um nichts unversucht zu lassen, ins Fundamt. In den Amtslokalen kam ihm seine Fußbekleidung noch unwürdiger und lächerlicher vor, als auf der Straße. Nachmittags ging er zu einem Rechtsanwalt, der ihn glimpflich behandelte und ihn entließ, ohne saugrob zu werden. Als er spät am Abend nach Hause kam, empfing ihn die Frau mit einem gewaltigen Geschrei, denn Michael hatte auf ihr vierjähriges Kind vergessen, das den ganzen Tag ohne Aufsicht blieb, jämmerlich hungerte und weinte. Auch für die Frau, die müde und hungrig aus der Fabrik kam, hatte er kein Essen vorbereitet. Am nächsten Tag stand Michael früher als gewöhnlich auf, kochte, was für den Tag notwendig war, und stand schon um acht Uhr früh von dem Eingang der Unterführung in der Bulcsu-ucca. Er postierte sich neben die Wand, um alle, die aus dem Viadukt heraustraten, um Auge behalten zu können, senkte den Blick und beobachtete scharf die Fußbekleidungen der Passanten. Er war nicht umsonst Schuster, die eigenen, frisch besohlten Schuhe würde er auf den erster Blick erkennen. Bis zehn Uhr hatte er scharf aufzupassen, eine Unmenge von Füßen marschierte aus dem dunklen Loch hervor, dann lichtete sich der Zustrom, doch mittags und abends wurde er wieder so dicht, daß ihn fast schwindelte. Zwischendurch gab es zum Glück immer Viertelstunden, in denen er die Augen schließen und sich ausruhen konnte. Über seinem Kopf donnerten die Züge des Westbahnhofes, der Wind drückte den Rauch auf die Straße herab und wirbelte ihn mit Staub gemischt in die Nase Michaels. Es war kein leichter,

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