Török Dalma (szerk.): „Nekünk ma Berlin a Párizsunk”. Magyar írók Berlin-élménye, 1900-1933 (Budapest, 2007)
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DEZSŐ KERESZTURY: BERLIN Eine weite Landschaft ist das, sie lockt zum Wandern, zur Maßlosigkeit. Die Traditionen Deutschlands östlich der Elbe, der Gegend jenseits des Limes reichen nicht in die römische Kultur zurück, welche die Natur besänftigte, sondern in die wilde und ungezügelte Urkultur. Ein Boden des Protests: das Individuum steht auf ihm nackt der Welt gegenüber, ohne sanfte Heilige, gütige Vermittler, ohne die helfenden Stützen des Jahrtausende alten menschlichen Erbes. (...) Eine verschlossene Landschaft ist das, jeder ihrer Teile entfaltete sich aus eigener Kraft zu dem, was er ist, und lebt gern für sich allein. Ihre nebelige, regnerische Düsterkeit, ihre sanfte, melancholische Stille ist unergründbar, voller unterdrückter Sehnsüchte, voller Einsamkeit, Visionen und eines unbenennbaren Abscheus. • Die Natur trägt den Menschen hier nicht auf den Händen, ist sie auch bereit, ihren Dienst zu tun, so kann sie nur wenig geben, denn sie selbst ist ebenfalls arm. Es hat sie aber eine Menschenart belagert, die vor der Arbeit nicht zurückschreckt und jede Möglichkeit nutzt: hartgesottene Siedler. Hier kann man sich nicht in malerischen Lumpen unter dem tintenblauen Himmel in der Sonne baden: Das abgehärtete, zum Kampf und zur Unternehmung gezwungene Volk hat die wilden Wasser des Moores in ein Kanalisationsnetz gesammelt, den ausgetrockneten Sand mit Wäldern bepflanzt und die Ufer der Gewässer mit Gärten und Sommerhäusern überstreut. Es fasste die sich anarchisch weit ausbreitende oder verträumte, sich verschließende Landschaft in die Ordnung seiner Pläne. • Nach Ansicht erfahrener Reisender beginnen wir eine Stadt erst dann kennenzulernen, wenn wir wagen, uns in ihr zu verirren. Diese Aussage ist allerdings nur für Ortschaften von menschlichen Ausmaßen gültig. In italienischen oder deutschen Kleinstädten lockt uns die Neugierde aus der Straße in die Gasse, aus der Gasse auf den Gemüsemarkt oder auf den Kirchplatz, und hast du dich wirklich verirrt, dann nimmt dich der gute Geist der Passanten an die Hand und führt dich nach Hause. Doch wie soll man sich auf einer Berliner Allee auf den Weg machen, wenn man das Ende derselben mit einem Fernrohr erspähen müsste; und wo soll man in dieser Steinwüste nach Erholung suchen, in diesem erschreckenden, unüberschaubaren Meer der Mietskasernen? „Ach, diese Ausmaße“, hörte ich noch Jahre später die Lobesh/mnen meines türkischen Reisegefährten, und gewiss werde ich nie die Aufregung einer rasenden Autofahrt durch Berlin vergessen, aber ich kann nicht leugnen, bis heute wird mir schwindlig, wenn ich an diese grenzenlose und unaufhaltsame Häuserflut denke. Sich in Berlin zu verirren, ist kein Abenteuer, sondern ein 1 48