Török Dalma (szerk.): „Nekünk ma Berlin a Párizsunk”. Magyar írók Berlin-élménye, 1900-1933 (Budapest, 2007)

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Unglück. Die unüberschaubare Größe entmutigt, das fürchterliche Gewimmel reißt mit; und stürzt du dich hinein, verschluckt es dich und wirft nicht einmal deinen Leichnam ans Ufer. • In Berlin, so scheint es, hat niemand Zeit, und wer Zeit hat, der verbringt sie nicht mit Herumstreunen, mit nichtstuerischer und doch so fruchtbarer Beobachtung. Hier besuchen auch die Arbeitslosen Fortbildungskurse, Lesezirkel oder politische Versamm­lungen, die Studenten sitzen mit Büchern und Brillen ausgerüstet auf den Bänken der öffentlichen Parks, und die Naturfreunde belagern die Ausflugsorte planmäßig und in Gruppen. Wer für sich ist, als würde er sich schämen, seine untätige Einsamkeit zur Schau zu stellen, bleibt zu Hause. Vielleicht ist dem Berliner auch deswegen sein Heim so wichtig; hierhin zieht er sich zurück, will er sich mit sich selbst beschäftigen. Doch zur Einsamkeit ist er selbst zu Hause kaum fähig. Er organisiert Arbeitszirkel oder Diskussionsabende, Gesellschaften zur Interpretation des Faust oder mit Kammermusik kombinierte Teenachmittage. Das Musizieren ist ihm beinahe wichtiger als alles andere. Nicht die Qualität der Leistung, sondern der Eigensinn des Musikkults und die leiden­schaftliche Andacht sind dabei kennzeichnend. Hierbei enthüllt sich die tiefste und verborgenste Schicht der Berliner Seele: das ruhelose Fernweh, die Sehnsucht des Herzens, das nie in der Lage ist, sich mit dem Vorhandenen abzufinden, nach Schönheit, Traum und Elfenmärchen. Der Berliner liebt, kann aber nur schwer aus sich heraus. Wenn er in der Silvesternacht verkleidet auf den Straßen johlt, dann steckt in diesem Lärmen etwas Gezwungenes, sein Feiern versteht sich nie ganz von selbst, immer ist darin eine Spur von Organisiertheit. • Die Ausmaße können leicht zum Verhängnis werden, die ungezügelte Modernität kann schnell zum Konkurs führen. So wurde das wissenschaftliche Leben Berlins nach dem Krieg zu jenem Großbetrieb, aus dem der tiefe Humanismus der Geschwister Humboldt verloren gegangen ist, so wurde aus dem weltberühmten Theaterleben ein Theaterbetrieb, aus der musikalischen Kultur eine Konzertauktion, aus der Literatur eine rotierende Druckindustrie, aus dem Forum der Londoner Markt des Geistes. Um 1928, in den Jahren der Blüte nach dem Krieg, als die am Boden zerstörten und gedemütigten Deutschen ihr Selbst­wertgefühl beinahe nur mit der Größe ihrer kulturellen Leistungen zu nähren vermochten, erschien in Berlin eine gesonderte Programmzeitschrift für Konzerte; von den etwa zehn großen Konzertsälen der Stadt war nie eine einzige frei, und es kam vor, dass Furtwängler, Bruno Walter, Mengelberg, Klemperer, Busch und Kleiber am gleichen Tag dirigierten. War das nicht übertrieben? 1939 1 49

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