Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)
Studien - Ilona Sármány-Parsons: Symbiose und distanz
Die letzte und zugleich kürzeste Epoche war der zeitgleiche Monolog der beiden nun bereits eigenständigen künstlerischen Zentren. Auch hier gab es zahlreiche strukturelle Parallelen in der Kunstauffassung und dem Habitus der österreichischen und ungarischen radikalen Avantgarde. Weder hier noch dort bemühte sich die junge Generation um eine Integration der eigenen Traditionen, vielmehr wandte sie sich beeinflusst durch die Pariser künstlerischen Experimente im Zeichen Neues zu schaffen gegen die Ideale der Väter. Die Problematik des Nationalen oder Lokalen war überholt und schien als eine provinzielle, rückschrittliche Kraft; den eigenen Individualismus konnte diese Generation am ehesten an abstrakte, als universal empfundene Werte knüpfen. So war es leichter, mit jemandem ein vorübergehendes Bündnis einzugehen, der sich der internationalen oder als solchen erachteten experimentellen Avantgardekunst verschrieben hatte. Damit bekamen auch die benachbarten Wiener ihren Platz im Internationalismus der späten internationalen Ausstellungen des Budapester Künstlerhauses (Művészház)41. Die künstlerische „Symbiose“ in der Zeit des Dualismus, die zwischen Wien und Budapest bestanden hatte, war also auf ambivalente Weise erodiert, hätte jedoch eine großartige Grundlage zu einer neuen, freien und dynamischen Ausstellungspraxis bieten können, innerhalb derer verschiedene nationale und lokale Schulen und Künstlergruppen ihr Talent frei messen konnten. Diesem in Entfaltung begriffenen sprudelnden, pluralistischen und toleranten internationalen Zusammenleben setzte allerdings der Erste Weltkrieg ein Ende. So zerbrach die Region auf der künstlerischen Landkarte Europas für neunzig Jahre in Stücke und wurde marginalisiert. ANMERKUNGEN 1 Miklós Ybl (1814-1891) hatte 1825-1831 am Wiener Polytechnikum studiert, und Antal Weber (1823-1889) war Schüler von Peter von Nobile an der Wiener Akademie. 2 Auch wenn man es noch nicht so nannte, so bewahrte doch der „Neu de memoire", das heißt der Schauplatz wichtiger historischer Ereignisse, das Andenken und bekräftigte die nationale Identität in Raum und Zeit. 3 Die öffentlichen Gebäude der Wiener Ringstraße sind illustrative Beispiele für diesen Stilpluralismus innerhalb des Historismus. 4 József Sisa: A Schmidt-iskola Budapesten. [Die Schmidt-Schule in Budapest] In: Az áttörés kora. Katalog, Historisches Museum Budapest 2004. S. 137-143; József Sisa: Steindl, Schulek und Schulz - drei ungarische Schüler des Wiener Dombaumeisters Friedrich von Schmidt. In: Mitteilungen der Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung in Wien XXXVI. (1985) S. 43-69. 5 Die wichtigsten Architekten, die in Berlin studiert hatten, waren: Antal Szkalnitzky, Alajos Hauszmann, Ödön Lechner, Gyula Pártos, Ignác Alpár. 91