Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Wilhelm Droste: Das kaffeehaus der donaumonarchie

Kette legen. Ihr Name war Programm des Aufbruchs. Sie hießen Japán, Abbázia, Palermo, Philadelphia, Luxor, Miramare, Sorrento. Wer mit dieser Leidenschaft aufbricht, der lebt gefährlicher, das haben sie allesamt erfahren und mit ihrem viel zu frühen Tod bezahlen müssen. Dabei braucht das Kaffeehaus diese beiden Dimensionen, um die in ihm gespeicherten, utopischen Qualitäten lebens­tüchtig zu machen: die Kraft des Festhaltens wie den Mut des Loslassens. Wer diesen Begriff des Kaffeehauses weit genug denkt, der mag sogar dem Schimpfwort Europa wieder einen freundlichen Sinn abgewinnen. An Europa wäre zu arbeiten wie an einem Kaffeehaus, das dann kein geschlossener Club der Privilegierten sein darf, erst recht kein bewaffnetes Imperium, das sich fürchtet vor den dunklen Rändern der Welt und diese daher mit technischer Überlegenheit in Angst und Schrecken versetzt. Europa wäre ein Raum, der sich mit grenzenloser Be­reitwilligkeit öffnet und der das Fremde braucht, um an der eigenen Wurzel gesund und lebendig zu bleiben. Eintritt frei! Wer es denn also schafft, in Oradea, dem einstigen Nagyvárad, eines der alten Kaffeehäuser neu zu beleben, in das dann die Ungarn mit der gleichen Selbstverständlichkeit hineingehören wie die Rumänen, die Ukrainer wie die Bulgaren, die Juden wie die Touristen, die Zigeuner wie die Deutschen, die Russen wie die Amerikaner, die Arbeiter wie die Zahnärzte, die Pubertierenden wie die Greise, die Huren wie die Heiligen..., dem sollte man mit Zuversicht die Alleinherrschaft über Europa auf Lebenszeit anvertrauen, in aller Seelenruhe. 201

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