Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Kornél Zipernovszky: Wem hat Wien den Charleston zu verdanken?

Mir fiel auf, dass die Band während der ganzen ersten Hälfte kein einziges Mal einen Charleston spielte, und das sagte ich Lucy auch gleich, schon allein deshalb, weil ich ihr noch zu Hause alle Figuren des neuen Tanzes beigebracht hatte und es mir schon in den Füßen juckte, unser neues Können zur Musik von Briggs unter Beweis zu stellen. Lucy erklärte mir aber, dass der Charleston in Wien noch völlig unbekannt sei. Beim Tanzen nahm ich mein ganzes englisches Wissen zusammen:- Please, play a charleston! Briggs verbeugte sich höflich, gleichzeitig war seinem Gesicht die Verwunderung aber deutlich anzusehen. Wer mochte hier in Wien schon neugierig auf Charleston sein? Dann lächelte er listig, als wäre er draufgekommen, dass dieser junge Mann, der ihn hier um einen Charleston bat, nur Amerikaner sein konnte. Als die Band nach einer ganz kurzen Pause erneut zu spielen begann, blieb das Publikum auf dem Parkett stehen ... keiner tanzte ... keiner kannte diesen eigenartigen Rhythmus. Sie standen nur da und betrachteten die Band, dann drehten sie sich in dieselbe Richtung wie Briggs, der seine Trompete mit einem komplizenartigen Blick auf uns gerichtet hatte und so blies. Lucy und ich waren schon großartig ins Tanzen gekommen und zeigten alle komplizierten Bühnenfiguren dieses merkwür­digen und in Wien bislang vollkommen unbekannten Tanzes.3 Der ungarische Tänzer und seine polnische Partnerin wurden vom Wiener Publikum sogleich umringt, so groß war die Bewunderung, der Trompeter aber war bereits von seinem Podest gekommen und spielte nur noch für sie. Briggs machte diesen Spaß ausgezeichnet mit. Er kniete auf einem Bein und blies so die Trompete ... die Kellner stellten sich auf die Stühle und sahen dem Tanz von dort aus zu. Bei den Schlusstakten steigerte Briggs das Tempo, um uns auf das Ende des Tanzes aufmerksam zu machen. Wir ver­standen sofort und arbeiteten fachkundig auf den «guten Ausgang» hin, so beendeten wir den Tanz mit den spektaku­lärsten Figuren. Das Publikum sprang von den Plätzen auf und schrie geradewegs vor Begeisterung. Der arme Briggs, der auf dem Tanz­parkett geblieben war, wurde beinahe umgeworfen. Wir verbeugten uns bescheiden und bedankten uns für den großen Applaus.4 Die Geschichte aus der Weihburg-Bar setzte sich damit fort, dass Arthur Briggs versuchte, mit Chappy, von dem er dachte, er sei Amerikaner, Englisch zu sprechen. Dieser gestand ihm aber nicht, dass er Ungar war (und der Schlagzeuger 187

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