Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)
Studien - Éva Bajkay: Ungarische künstler von der sezession bis zur avantgarde in Wien 1900-1936
Die in Wien lebenden Ungarn waren durch den Kunsthistoriker Konstantin Umanskij, dem Berichterstatter der Nachrichtenagentur TASS, bereits 1920 auf die russische Avantgarde aufmerksam geworden. Uitz unternahm, nachdem er einen seiner Vorträge gehört hatte, 1921 eine Reise nach Moskau, bei der er die neuesten Strömungen persönlich kennen lernen konnte. Von dort brachte er Manifeste, Fotografien und zwei Linolschnitte von Rodtschenko mit, die er in der kurzlebigen Zeitschrift Egység [Einheit] das erste Mal im Westen publizierte. Auf die Kunst von Uitz hatte Rodtschenko den wohl größten Einfluss. Er entwickelte dessen Linearismus weiter und fertigte so seine fakturdynamische, geometrisch abstrakte Linolschnittserie Analyse von 36 Blättern Umfang an.20 Bei seiner zweiten Wiener Ausstellung I 923 weckte er außer mit seinen großformatigen Ölbildern gerade mit dieser Serie die Aufmerksamkeit der Österreicher, darunter in erster Linie Franz Cizeks und seiner Schüler. Der Meister, der an der Kunstgewerbeschule mit der Förderung der Sinne, mit Material- und Bewegungsstudien experimentierte, schrieb in seinem Tagebuch von dem regen Gedankenaustausch mit Uitz.21 Der Einfluss des ungarischen Künstlers zeigte sich in einzigartiger Weise in den Arbeiten der begabtesten Schülerin Öizeks: der anerkannten Repräsentantin des Kinetismus, Erika Giovanna Klein. Der Dichter und Redakteur Kassák wandte sich in einem für ihn fremden sprachlichen Umfeld den internationalen Kommunikationsmöglichkeiten der bildenden Kunst zu. Er bemühte sich auch um eine Öffnung zum österreichischen Publikum: durch A/IA-Abende, mit der Übersetzung seiner Gedichte ins Deutsche bei der Matinee in den Räumlichkeiten der „Freien Bewegung" im November 1920, doch auch durch das gemeinsam mit László Moholy- Nagy 1922 auch in deutscher Sprache herausgegebene Buch neuer Künstler, einer Avantgarde-Anthologie, die die Beziehung zwischen Kunst und moderner Technik zum ersten Mal thematisierte. Seine Wirkung auf die Wiener ist - mit Ausnahme auf Hans Suschny - allerdings wenig greifbar. Im Februar 1924 gab es zwar in der seit I 920 existierenden, zunehmend berühmteren Galerie Würthle eine Ausstellung (mit Leopold Gottlieb und Fritz Gross), doch vermutlich vermittelt durch den Berliner Kreis Der Sturm. Denn Moholy-Nagy, Bortnyik sowie aus Wien Kassák, Bernáth und Béni Ferenczy stellten auch in der Galerie Der Sturm aus und suchten in Berlin nach Käufern für ihre Wiener Werke. Kassák nahm Anfang 1925 im Konzerthaus an einer Diskussion zur modernen Kunst in Wien teil, im März versuchte er, sich in der Schwarzwald-Schule an die jungen Künstler Österreichs zu wenden und damit seine ungarischen und österreichischen Anhänger, deren Zahl abnahm, zusammenzuhalten. Seine Bemühungen blieben 171