Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)
Studien - Pál Deréky: Ungarische avantgardeschriftsteller und -künstler in Wien in den jahren 1920-1926
publizierte er zunehmend propagandistische, aber immerhin interessante Texte. Erwanderte mit seiner Frau in die Sowjetunion aus und stellte seine literarische Arbeit dort in den Dienst des sozialistischen Realismus. 1938 wurde er verschleppt und ermordet. Sándor Bortnyik war ebenfalls seit 1916 Mitglied des Kassák-Kreises. Den Kontakt stellte János Mattis-Teutsch her, um diese Zeit der wohl meistgeschätzte Künstler der Aktivisten. In Wien arbeitete Bortnyik in erster Linie als Gebrauchsgrafiker, gab allerdings im A/IA-Verlag einen Band wunderschöner Bildarchitekturen heraus. Die Bildarchitektur galt lange Zeit als genuine Erfindung der Wiener Ungarn, in erster Linie Kassáks; außer Bortnyik wird auch Moholy-Nagy mit ihr in Verbindung gebracht (neuere Forschungen gehen ihren deutschen bzw. russischen Wurzeln nach). Doch Bortnyik plagten bald ernste Zweifel, ob Bildarchitektur und Kommunismus miteinander vereinbar seien. „Bald reifte in mir ein Gefühl des Unbefriedigtseins, der Unzufriedenheit. Ich zweifelte immer stärker, ob diese bloß in der Fläche, ohne Plastizität, räumliche Darstellung und bestimmte Aussage komponierten geometrischen Formen wohl die Vision einer kommenden kommunistischen Gesellschaft vergegenwärtigen würden."8 Letztlich schloss auch er sich den Abtrünnigen um Barta, Újvári, Mácza und Uitz an, 1922 übersiedelte er nach Deutschland. Tibor Déry kam erst in Wien zur Avantgarde, folglich begann er gleich im Zeichen des Dadaismus zu schreiben und zu gestalten. Sein avantgardistisches Hauptwerk Az ámokfutó / Der Amokläufer gehört wie Kassáks Langgedicht zu den bedeutenden Schöpfungen der avantgardistischen Weltliteratur.9 Ebenfalls 1922 in Wien entstanden (und von ihm selbst ins Deutsche übersetzt) unterscheidet sich Der Amokläufer dennoch vollkommen von Kassáks Poem. Allein und am augenfälligsten dadurch, dass es ein mit zeitgenössischen Pressefotos illustrierter Text ist. Da es Déry offenbar nicht gelang, jeweils zwei Exemplare einer bestimmten Zeitschrift zur Illustration zu beschaffen, unterscheidet sich die Bildwelt der deutschen und der ungarischen Version, was eine angenehme Verunsicherung erzeugt. Warum das Poem entgegen der Ankündigung 1923 doch nicht im Berliner Sturm-Verlag erschien, entzieht sich unserer Kenntnis. Es wurde schließlich I 985 von Ferenc Botka im Verlag des Literaturmuseums Petőfi herausgegeben. Déry verfasste in den folgenden Jahren einige der besten Texte des ungarischen Surrealismus. 156