Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Pál Deréky: Ungarische avantgardeschriftsteller und -künstler in Wien in den jahren 1920-1926

PÁL DERÉKY: UNGARISCHE A VA N T G A R D E - S C H R I F T S T E L L E R UND -KÜNSTLER IN WIEN IN DEN JAHREN 1920-1926 Sie waren Emigranten, die nach dem kurz zuvor erfolgten Zusammenbruch der ungarischen Räterepublik 1920 aus Budapest nach Wien geflüchtet waren, oder einstweilen Staatenlose, deren Heimat plötzlich nicht mehr zu Ungarn gehörte, sondern zur Tschechoslowakei (Lajos Kudlák, Ödön Mihályi, János Mácza), zu Rumänien (György Szántó, Róbert Reiter) bzw. Jugoslawien (László Moholy-Nagy, Ervin Sinkó, Mátyás György). Einige hielten sich nur für ein paar Wochen oder Monate in Wien auf und zogen dann weiter (Gyula Illyés nach Paris, Moholy-Nagy nach Berlin, Sándor Bortnyik nach Weimar), viele wanderten in die Sowjetunion aus (Sándor Barta, Erzsi Újvári, János Mácza). Nach kurzer Zeit kehrten Mátyás György nach Jugoslawien, Ödön Mihályi und Lajos Kudlák in die Tschechoslowakei, Reiter und Szántó nach Rumänien zurück. Die meisten nutzten die Amnestie 1926, um nach Ungarn zurückzugehen (Lajos Kassák, Tibor Déry, Gyula Illyés, Andor Németh, József Nádass und andere). Tibor Déry trieb sich bis 1939 in ganz Europa herum, schuf jedoch in seiner Wiener Zeit ein Hauptwerk der ungarischen Avantgardeliteratur, Az ámokfutó / Der Amokläufer (1922). Ohne den Wiener Zwangsaufenthalt dieser Schriftsteller und Künstler gäbe es keine ungarische Avantgarde, bzw. wäre sie wesentlich uninteressanter. Wien hatte 1910 rund 2.03 1.000 Einwohner. In der Nachkriegszeit indes war die Stadt - gemessen an Paris oder Berlin - grau und unattraktiv, ihr wurde nach dem Verlust imperialer Herrlichkeit keine große Zukunft vorausgesagt. Die Bevölkerungszahl nahm stetig ab. Aber die Situation der Verbliebenen bes­serte sich von Tag zu Tag: Dank dem phänomenalen Wohnungsbauprogramm der regierenden Sozialdemokratie wuchsen bald europaweit bewunderte Gemeindebausiedlungen aus dem Boden. Auch die Kulturpolitik war offen, unterstützte trotz aller innenpolitischen Streitigkeiten beinahe bis zum Anschluss vor allem volksbildnerische Initiati­ven (z.B. Freie Schulen, d. h. alternative Bildungsansätze), aber auch modernistische und avantgardistische. Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Hans Tietze (1880-1954) gründete 1923 den Verein der Gesellschaft zur För­derung moderner Kunst. Das Hauptaugenmerk galt der „Pflege und Förderung unabhängiger lebendiger Kunst“, bis zur Auflösung des Vereins 1934 wurden neben Vorträgen und Publikationen von Künstlern auch 16 Ausstellungen gefördert. Als erster Maler wurde von Mai bis Juni 1923 Béla Uitz im Museum für Kunst und Industrie (heute MAK) 153

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