Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Pál Deréky: Ungarische avantgardeschriftsteller und -künstler in Wien in den jahren 1920-1926

gezeigt. Seine in Russland entstände und von Rodcenko beeinflusste Linolschnittserie Analyse von 1921/22 war für Wien eine der ersten Begegnungen mit dem Konstruktivismus. Die Wiener Sozialdemokratie bemühte sich auch im Kulturleben der Stadt neue Maßstäbe zu setzen. Mit dem Musik- und Theaterfest der Stadt Wien I 924 wurde Wien für kurze Zeit Treffpunkt der internationalen Avantgarde. Im Rahmen dieses Festes fanden die Ausstellung Interna­tionale Kunst (I 1. 9. - 20. 10. I 924) in der Secession und die Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik (24. 9. - 12. 10. 1924) im Konzerthaus statt. Die letztgenannte, von Kiesler kuratierte Schau wird in der Forschung oft herangezogen. Bis heute aber wird dabei übersehen, dass beide Ausstellungen von der Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst betreut wurden. Die Ausstellung Die Kunst in unserer Zeit ( 22. 3. - Mai I 930) im Künstlerhaus kann als eine Art Resümee der Vermittlungsbemühungen der Gesellschaft zur Förderung moderner Kunst gewertet wer­den.1 Die Wiener ungarischen Avantgardisten konnten nicht nur diese Infrastruktur nutzen, sondern auch das Netz­werk der internationalen Avantgarde-Zeitschriften und -Verlage. Vor allem gab es einen vollkommen freien, unzen­sierten und effektiven Informationsfluss zwischen Wien und allen Zentren der europäischen Avantgarde, den es zur der Zeit in Budapest definitiv nicht gegeben hätte. Sie nutzten ihn trotz (oder gerade wegen) ihrer äußerst prekären finanziellen Situation ausgiebig. Was waren - in aller gebotenen Kürze - die wesentlichen, d. h. bleibenden Leistungen der ungarischen Avantgar­disten in Wien? An erster Stelle muss die zentrale Zeitschrift der Bewegung MA (Fteute bzw. Gegenwart) genannt werden. 1916 von Lajos Kassák in Budapest gegründet, wurde die Zeitschrift ab I 920, ebenfalls von Kassák, in Wien verlegt, bis ihr Erscheinen 1925 mangels genügender Käufer eingestellt werden musste. MA, die Anfang der 1970er Jahre in Budapest in einer beinahe vollständigen Faksimile-Ausgabe einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wurde, ist ein Gesamtkunstwerk. Ihr Repertorium liest sich wie ein Who is Who der internationalen literarischen und künstlerischen Avantgarde.2 In MA wurden zahlreiche deutsche Texte publiziert, wobei besonders die durchgehend deutschsprachigen Ausgaben Aufmerksamkeit verdienen: das Musik- und Theater-Heft3 - herausgegeben 1924 anläss­lich der Internationalen Ausstellung neuer Theatertechnik - und die als Programmheft des „I. Deutschen Propaganda- Abends” am 22. März I 925 im Schwarzwaldsaal (benannt nach Eugenie Schwarzwald) konzipierte MA-Einladung, die allerdings nicht in die Faksimile-Ausgabe aufgenommen wurde.4 Interessant ist auch das Sonderheft Das junge Schlesien,5 In der Zwischenkriegszeit gab es - den abstrakten Expressionismus mal ausgenommen - kaum eine ideo­logiefreie Avantgarde, und die Wiener ungarische war explizit politisch. Kassák bezeichnete die Richtung der Zeitschrift 154

Next

/
Thumbnails
Contents