Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Júlia Lenkei: Untergetaucht in Wien - Béla Balázs

„Ungarische Schriftsteller wurden innerhalb von einigen Jahren zu deutschen Schriftstellern, doch sie behielten ihren speziellen Charakter bei und brachten exotische Momente in die deutsche Literatur.”30 Auch Balázs selbst formuliert in seiner späteren Autobiografie ähnlich: „Ich wurde ein deutscher Autor.”31 Während seiner Wiener Jahre, zwi­schen 1920 und 1926 also, erschienen von ihm vier ungarischsprachige und fünf deutschsprachige Bücher. All dies gewährleistete nicht nur die notwendigen Voraussetzungen zum Leben und zu seiner künstlerischen Arbeit, durch die er mit seiner Ehefrau 1922 auch ein eigenes Zimmer mit Küchenbenutzung anmieten konnte, sondern brachte auch die für ihn unerlässlichen psychischen Bedingungen des Erfolgs, der Wirkung und der Zuneigung des Publikums mit sich......woher er strahlt, ich weiß es nicht, ein Erfolg ist zu spüren und wächst um mich herum, unter der Erde geradewegs heran. Auch unter den Deutschen, doch am ehesten unter den emigrierten Ungarn. Nach und nach wendet sich die kommende Generation an mich, die sich als „marxistische Gruppe” gegen mich gewandt hatte, wie gegen einen übertrieben akademischen Professor und Dichter. Sie kommen zu mir. Sie bringen mir ihre Texte. (Zuletzt Mátyás György und Sándor Barta). Ja, sogar Kassák. Hier sind meine Wurzeln oder mein Ast zu neuem Boden vorgestoßen.”32 Es hat den Anschein, als würde die Entfernung zur Heimat diesem Prestige geradezu gut tun. „Ich spürte, wie sehr meine Achtung und mein Gewicht hier draußen wuchsen. Hier gibt es keinen Pester Journalis­mus, die Zeitung Az Est, die mir ein Bein stellen könnte. Und auch in deutscher Sprache hatte ich Erfolg, sodass die erste Ausgabe von Túl a testen [Tagebuch eines Mannes und einer Frau] innerhalb von zwei Monaten in 4.500 Exemplaren verkauft wurde. Es war nicht vergebens, dass meine in der B. M.33 erschienenen Sonntagsglossen ,oben und unten’ mit zunehmend größerer Begeisterung gelesen wurden. Jászi, Hock, Gyula Pikier, der mich zum besten Philosophen Ungarns machte, gefielen sie ebenso wie den Mitarbeitern der Zeitung, die darüber staunten, wie brillant sie geschrieben waren. (...) Währenddessen hatte ich auch andere Erfolge. ,Der Mantel der Träume’ wurde als eine wunderbare Prachtausgabe herausgegeben. Das an sich imponierte ihnen schon, doch darüber hinaus er­schienen, da Bischof ein energischer Organisator war, zahlreiche schöne Kritiken und schließlich der Größte der Größten: Die Glosse von Thomas Mann in der Neuen Freien Presse. Die Wirkung bedeutete im Kaffeehaus Stöckl, an der geistig-literarischen Börse der ungarischen Emigration, eine gewaltige Hausse - zumindest für eine Weile.”34 Der Erfolg zeigte sich auch im Ausland: Die Bécsi Magyar Újság berichtete 1922 über den begeisterten Artikel eines französischen Lesers der deutschen Ausgabe von Sieben Märchen aus Paris. Balázs durfte erleben, sich mit 36 Jahren in Wien ganz an der Spitze zu fühlen. „Ich spüre die Spitze meiner Begabung und bin gesund. Friede und Freiheit. 146

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