Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)
Studien - Júlia Lenkei: Untergetaucht in Wien - Béla Balázs
fremd (...), sondern sie existieren überhaupt nicht für uns, sie stehen jenseits von Fern und Nah.”16 József Nádass erinnert sich in seinen Memoiren an die Emigranten, „meist reife, reale, ideologisch gebildete Männer und Frauen, die plötzlich in Tränen ausbrachen, wenn in der fremden Stadt das Bild der Heimat aufschien, die den sich nach Wien verirrenden Ungarn ausfragten: .Gibt es die kleine Kneipe neben dem MEMOSZ17 noch?' .Stimmt es, dass die Bäume im großen Wald in Debrecen gefällt worden sind?’ ,Wer ist jetzt der Oberkellner im Kaffeehaus Japán?’ Es gab auch solche, die, wenn sie konnten, ins Burgenland fuhren und an der Grenze die Landschaft jenseits der Schranke beschauten, denn das war schon Ungarn.”18 „Ich höre den Gesang von dort drüben” - so singt Balázs im Namen des Odysseus. Die Emigranten bewegten sich anfangs vor allem untereinander, ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die Nachrichten, die aus der Heimat eintrafen, in ihren Zeitungen und Zeitschriften reagierten sie auf die dortigen Ereignisse. Lengyel unterscheidet: „Ich hielt mich in Wien auf, doch lebte ich nicht in Wien, sondern schwamm beinahe vollkommen im dichten und bitteren Sud der ungarischen Emigration und atmete deren geschlossene Luft ein...”19 Balázs beschreibt, wenn auch mit etwas mehr Elan, denselben seelischen Zustand: „Im Allgemeinen leben wir hier unter ,Vorbehalt”. Unsere Seele lässt sich nicht nieder und räkelt sich nicht. Unser Zelt weht im Wind. Und wir besitzen nicht ein Gefühl, nicht eine Stimmung, die wir vollkommen herauslassen würden, loslassen würden - aus Angst, sie könnten Wurzeln schlagen.”20 Für ihn war das Umfeld kein fremdes, und doch belastete ihn das Erlebnis fortgegangen zu sein....... Warum zerrt es an mir, alles hier zu lassen, wo es so schmerzt? Dort drüben befindet sich mein sinnvolles Schicksal, meine innere stille und einsame Erfüllung, und hierher binden mich nur die zarte Freude der Gewohnheit oder die Hoffnung auf ein bekanntes Nest, die alte freundschaftliche Wärme und die Eitelkeit: dass man mich hier schon kennt. (...) Doch gerade dieser Schmerz zerrt am meisten an mir, denn dieser Schmerz - ich weiß noch nicht was - ist das Rückgrat meiner Seele, meine eigenste Wirklichkeit, ich fand mich selbst, als ich diesem Schmerz begegnete, damit kam ich zu Hause an."21 Die poetische Authentizität seiner Emigrationslyrik voller Heimweh berührte selbst Gyula Illyés.22 Während er sich bemüht, sich selbst vor der Pose eines professionellen Verfolgten zu schützen23, überschreitet er den Schmerz bereits, indem er betont, dass seine Treue zur Heimat und Muttersprache nicht davon abhängig ist, wo er sich geografisch befindet:....war ich denn verbannt, als ich in die Fremde floh oder nach Hause zurückkehrte? (...) Fazit: ich bin nicht verbannt. Denn davon, was mir gehört, habe ich in meinem Herzen etwas mitgebracht, und ich werde hier mehr für sie tun können als dort drüben. (...) Ich bin ein Wanderer und ein einsamer Fremder ohne 144