Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)
Studien - István Fried: Ungarische schriftsteller in Wien
ISTVÁN FRIED: UNGARISCHE SCHRIFTSTELLER IN WIEN „Ich würde mich freuen, wenn die Dinge in Ungarn so in Ordnung kämen, dass ich endlich nach Wien heimkehren könnte, um dort zu leben." Wien war für die Ungarn zwischen I 867 und 1919 In- und Ausland zugleich: für manche die beneidete und ersehnte große, weite Welt, für andere nur die Hauptstadt des Reiches, die Budapest nachahmte, von der es sich unterscheiden wollte, die es als Konkurrenten betrachtete. Zum Ausland wurde Wien endgültig nach 19 19, zu einem Ausland, das in der Erinnerung Inland blieb. Von den ungarischen Schriftstellern der Jahrhundertwende betrachteten Wien nur wenige als dauerhaftes Reiseziel. Das änderte sich aber nach 1919 in bedeutendem Maße: Die aus verschiedenen Gründen emigrierten Schriftsteller, Intellektuellen oder Journalisten dachten nun bereits daran, sich langfristig dort niederzulassen - das einstige Ausland-Gefühl wandelte sich zuweilen sogar zu dem Gefühl, zu Hause zu sein. Die Vergangenheit wurde umgewertet, man erinnerte sich nicht mehr an die Streitigkeiten bei der Erledigung der „gemeinsamen Angelegenheiten“, sondern an die einstige Staatengemeinschaft, in der das Hier und das Dort austauschbar gewesen waren. Die Fremdsprachigkeit bedeutete keinen Störfaktor, denn Deutsch war an den Schulen Unterrichtsfach. Die in den bürgerlichen - und nicht nur aristokratischen - Familien angeeignete Bildung sowie die vertraute Stadtstruktur erleichterten es den Emigranten, sich zumindest für eine gewisse Zeit in der einstigen Kaiserstadt einzurichten, eigene kulturelle Zentren ins Leben zu rufen, mit Presse, Stammcafé und einer Offenheit für die weite Welt. Bislang wurde dem Aspekt relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt, dass es unter den Schriftstellern auch solche gab, die Verwandte in Wien hatten und somit ihr Besuch in Wien auch als „Familienbesuch“ im engeren und weiteren Sinne des Wortes verstanden werden kann. Die Autobiografie Sándor Márais, Bekenntnisse eines Bürgers, malt ein buntes Bild von der künstlerischen Verwandtschaft und dem skurrilen Juristen und Onkel, der ihn zum Holzlager mitnahm. In späteren Zeitungsartikeln erscheint der Homo Austriacus dann nach dem Vorbild des Vaters der Tänzerinnen, Jenem österreichischen Möchtegernkünstler und Kleinbürger, über dessen Kopf die Politik hinwegbrauste, da er nicht an ihr teilhaben wollte, da er nicht von denen gefragt wurde, die sich für historische Persönlichkeiten hielten. Er repräsentiert das „ewige Wien“, das „ideale Wien“, das seine Botschaften in Gestalt der musikalischen 122