Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Julianna WernItzer: Wege durch die lücken des unsichtbaren

satirischen Werke. Als ein begeisterter Leser von Jules Verne übernahm der Autor mehrere seiner Romanelemente, so unter anderem das eisfreie Meeresbecken am Nordpol aus Die Abenteuer des Kapitän Hatteras, die dahintrei­bende Eisscholle, die allmählich schmelzende Eisinsel aus Das Land der Pelze oder die riesige, unterirdische Höhle aus Reise zum Mittelpunkt der Erde. All diese Elemente erscheinen in Jókais Roman als Allusionen, doch auch als feste Elemente der Romanstruktur. Zu dieser Zeit der Romantik war die Vermischung von naturwissenschaftlichen und fantastischen Elementen eine beliebte und erfolgversprechende literarische Methode. Die Abenteuerromane beziehungsweise die wissenschaftlich-fantastischen Werke erfreuten sich großer Beliebtheit, und auch die Schrift­steller operierten in ihren Werken vielfach mit ähnlichen Motiven. So kann man in dem Roman Die geheimnisvolle Insel von Jules Verne, der 1875 erschien und den Jókai, als er seinen Roman schrieb, noch nicht kennen konnte, weitere überraschende Analogien entdecken: die Beschreibung der beiden unterirdischen Höhlen, der Höhlensee, das Tier als der Führer des Menschen (bei Verne der Hund Top, bei Jókai der Bär Babi), das Motiv der Vogelpost (bei Verne der Albatros, bei Jókai die Wildgans). Das Vernesche Thema und die Vernesche Situationsabfolge erschei­nen bei Jókai allerdings mit einem ironischen Charakter, der Untertitel verspricht einen liebenswert humorvollen Ton, was auch für den Namen und die Figur des Protagonisten gilt. Pero Galiba, den man auf dem im Packeis fest­gefrorenen Schiff zurückgelassen hat, weiß alles von der Welt: Er hat Kenntnisse in Mineralogie und Zoologie, ist bewandert in Paläontologie und Tierpsychologie, kennt sich in der Chemie aus, in der Lehre der chemischen Reak­tionen, Er verfügt über historische, erdgeschichtliche und theologische Kenntnisse, besitzt ausgezeichnete Sprachfä- higkeiten (bis hin zum Althebräischen). Auch seine physischen Fähigkeiten sind herausragend: Er ist geschickt, aus­dauernd, mutig und stark. Berechtigt kommen dem Leser Zweifel: Kann es einen solchen Helden überhaupt geben? Der allwissende Held und der „allwissende Ich-Erzähler” existieren zu ihrem gegenseitigen Nutzen, doch lebt Jókai mit der Welt seines eigenen Romantextes ebenfalls in einer solchen Symbiose. Das Motiv des jungen Mannes, der gegenüber den Naturgewalten auf sich selbst gestellt bleibt und sich aus eigener Kraft die Möglichkeit zum Überle­ben erschaffen muss, wurde - seit Daniel Defoes Roman Robinson Crusoe (1719), der in deutscher Sprache 1720, in Ungarisch hingegen erst 1844 erschienen ist - in zahlreichen Romanen der Weltliteratur thematisiert. Für den Roman Jókais ist - mit Ausnahme des Endes - ein begeisterter, pathetischer Ton kennzeichnend. Der Held, der sich die Möglichkeit zum Überleben schafft, die Entdeckung, das Motiv der Flaschenpost, der tote Matrose, die Aben­teuer, das Terrain werden im Roman Jókais zu fantasiereichen, romantischen Motiven, zum fiktiven literarischen Ort

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