Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Hedvig Újvári: Deutschsprachige presse in Ungarn nach 1867

auch die Schulblätter und kirchlichen Organe nicht außer Acht gelassen werden, da ihnen, vor allem was die Bewah­rung der nationalen Identität anging, eine große Rolle zukam. Nach dem Ausgleich konnte sich die Zahl der ungarischen politischen Blätter ohne Weiteres mit dem europäischen Durchschnitt messen, jedoch waren in der Auflagenzahl durchaus Differenzen wahrnehmbar: Die Abonnentenzahl der ungarischen Blätter überschritt kaum die Grenze von 10.000 Exemplaren.9 Die Gründe dafür lagen vermutlich in der Zweisprachigkeit von Buda (Ofen) und Pest,10 in der überwiegenden Zahl des deutschsprachigen Bürgertums und nicht zuletzt in der Bedeutung der deutschen Sprache im Wirtschaftsleben. Die ausländischen, besonders die Wiener Presseerzeugnisse, erfreuten sich großer Beliebtheit, und auch die deutschsprachige Presse Ungarns stieß auf reges Interesse. Insgesamt fanden Letztere zwei- bis dreimal so viele Abnehmer: 1875 erreichten etwa zwei Millionen ungarische politische Blätter die Abonnenten, wobei die Zahl der deutschsprachigen Organe auf 5,5 Mil­lionen zu beziffern war.11 Als führendes deutschsprachiges Organ Ungarns galt der Pester Lloyd (I 854-1 945), jedoch erwies sich - wenn auch nur für eine Dekade - der aus ihm hervorgegangene, etwas konservativer ausgerichtete und mit demselben Redaktionskollektiv arbeitende Ungarische Lloyd (1867-1876) ebenfalls als lebensfähig, und nicht zuletzt der ausgesprochen kurzlebige, in der linken Mitte orientierte Neue Freie Lloyd (I 869-1 872). Als wahre und dauerhafte Konkurrenz zum Pester Lloyd war das Neue Pester Journal (1872-1925) anzusehen, das mit seiner auf über 10.000 angestiegenen Abonnentenzahl binnen eines Jahrzehnts seinen Gründer, Sigismund Bródy, zu ei­nem der größten Steuerzahler der Hauptstadt machte. Sein Unternehmen florierte dermaßen, dass er nach einigen Jahren ein weiteres deutschsprachiges Organ, das Neue Politische Volksblatt (1878-1940), herausgab. Der Pester Lloyd, die „Financial Times des Ostens“, verdankt seine Entstehung einer Handelsgesellschaft. 1852 grün­dete der Pester Kaufmann Jakob Kern zusammen mit anderen Kaufleuten eine Handelsgesellschaft namens „Pester Lloyd“, deren Ziel es war, den Handel in Ungarn wiederzubeleben. Von den Mitgliedern der Handelsgesellschaft wurde kurz nach ihrem Zustandekommen die Herausgabe eines periodisch erscheinenden Organs ins Leben gerufen, um das deutsch­sprachige Bürgertum Ungarns über den Handel und die Veränderungen im Land zu informieren. In den ersten Jahren ihres Bestehens brachte die Zeitung im überwiegenden Teil eher allgemeine Handelsnachrichten und galt damit als maßgebliches Wirtschaftsblatt. Als verantwortlicher Redakteur - ein Chefredakteur ist nicht verzeichnet - fungierte zwischen 1854 und I 866 Johann Weisz.12 98

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