Kapronczay Károly szerk.: Orvostörténeti Közlemények 186-187. (Budapest, 2004)
KÖZLEMÉNYEK — COMMUNICATIONS - DINGES, Martin: Beitine von Amim (1785-1859), eine für die Homöopathie-engagierte Patientin. Handlungsräume in Familie, Landgut und öffentlichem Raum/Politik. - Bettine von Arnim (1785-1859), egy, a homeopátia iránt elkötelezett páciens. Tevékenységi körök a családban, a gazdaságban és a közéletben/politikában
Um nun den tatsächlich eingetretenen Verlusten entgegenzusteuern, hätten die Apotheker die Armen als Ersatzabsatzmarkt entdeckt und zum eigenen Nutzen mißbraucht. Ansätze zu einer politischen Ökonomie des Arzneimittelmarktes in der Hauptstadt sind hier unübersehbar. Die auch schon früher geäußerte Kritik an der Habgier vieler Mediziner paart sich nun mit einer genaueren Wahrnehmung klassenspezifischer Auswirkungen. Bettines Ambivalenz gegenüber den Ärmeren drückt sich aber durchaus in der Bezeichnung der Armenviertel als den ,JRegionen der Hauptkrankheitsstoffe" aus. Die Armen waren wohl auch für sie eine gefährliche Klasse, denn in ihren Wohnungen drohte immer auch die Cholera. Entscheidend bleibt nach Bettine, ihnen fair zu helfen: Dafür böte die Homöopathie mit ihren revolutionären Wirkungen auf die Medizin - bezahlbare - Möglichkeiten. Schließlich sollte dem preußischen König als Empfänger des Briefes bei dem Begriff „Revolution" 1845 vielleicht auch noch Bedrohlicheres als umwälzende Fortschritte in der Medizin einfallen. Ob nun auf Bettines Veranlassung oder aus eigenem Entschluß, mit Pantillon wirkte nun ein Homöopath als „Armenarzt", was fraglos eine Verbesserung der medizinischen Seite der Armenfürsorge war. 81 In einer Petition charakterisiert Bettine diesen einzigen besten Arzt der Armen" so: „Wieviele Arme hat dieser Mann umsonst geheilt, ja sie noch unterstützt mit dem, was er von anderen erhielt, ist er nicht in Löcher und Höhlen des Elends gekrochen, wo kein anderer Arzt seine delicate Nase hineingesteckt hätte; war ich nun nicht seit einem Jahr lang Zeuge, daß ihm keine Mühe zu groß war? 1 ' Er habe von morgens vier Uhr ohne Mittagsruhe bis nachts um elf Uhr gearbeitet, „wenn er das alles that für Krankel,] die weil sie arm waren und ihrer Gesundheit bedurften [,] um sich und ihre Familie zu erhalten, von ihm immer als die wichtigsten behandelt wurden [,]wenn er auch selbst da [,] wo er nicht mehr helfen konnte, es für seine Pflicht hielt, Trost, Hoffnung Erleichterung zu gebend 2 Auch wenn man dieses Bild eines aufopferungsbereiten, guten Arztes als rhetorische Stilisierung erkennt, bleibt der Eindruck eines für die Armen sehr engagierten Mannes. Bettine unterstreicht dies noch, indem sie vorrechnet, daß er in zwei Jahren leicht 100.000 Taler hätte verdienen können, wenn ihm jeder geheilte Patient auch nur einen Taler bezahlt hätte. Im Ergebnis ist Pantillon ftir sie „der einzige thätige und praktische Christ, den ich in meinem ganzen Leben auf allen Wegen als Arzt begegnet habe [sie!], der seine Mühe und Fleiß auf die vom Staat vernachlässigte Klasse der Menschheit, die Proletarier verwendet hat und zwar am meisten auf die verkrüppelten Kinder dieser Leute..."* 1, Als weitere behandelte Patienten werden noch die rachitischen Kinder der Soldaten aus dem Lazarett erwähnt. Das Ideal vom tätigen Christentum, das man bei den Ärzten angeblich so selten findet, mag eine Erinnerung an die Zusammenarbeit mit Schleiermacher bei der Armenfürsorge sein. Der Begriff „Proletariat" taucht hier keineswegs zufällig auf, denn der Linkshegelianer Bruno Bauer (1809-1882), ein enger Freund von Karl Marx, verkehrte spätestens seit 1842 regelmäßig in Bettines Salon. 84 81 Vgl. Münch, R.: Probleme der städtischen Armenpflege. In Schneck, P./Lammel, H.-U. (Hrsg): Die Medizin an der Berliner Universität und an der Charité zwischen 1810 und 1850. Husum, 1995. 228-240. 82 Püschel, „Welt", Bettine an Armgart (Ende September/Anfang Oktober 1845), 560 f. 8 J Die Unterstreichung des Wortes „Proletarier" im Original. 84 Koller, T./Grunholzer, 11.: Lebensbild eines Republikaners im Rahmen der Zeitgeschichte. 2 Bde, Zürich, 1876. Bd. 1, 261, 263, 265; vgl. Rosen, Z.: Bruno Bauer and Karl Marx. The Influence of Bruno Bauer on Karl Marx's Thought. Den Haag, 1977.