Magyar László szerk.: Orvostörténeti Közlemények 170-173. (Budapest, 2000)
KÖZLEMÉNYEK — COMMUNICATIONS - Lammel, Hans-Uwe: Konzepzionswandel. Die Berliner Chirurgische Klinik in der Ziegelstrasse im Übergang von Bergmann zu August Bier. — Koncepcióváltás. A berlini Ziegelstras s ei Sebészeti Klinika Bergmanntól August Bierig
demokratisch verstand, denn ihre therapeutische Orientierung war eben anatomisch, und menschliche Anatomie benötigte keine Vermittlungsglieder. Während mit der Säftelehre der individualisierende Gedanke zu einem Hauptbestandteil ärztlichen Denkens geworden war, hatte sich die Chirurgie eine Basis erarbeitet, wo dieses Individualisieren unnötig schien. Es eröffnete sich die therapeutische Perspektive eines durch moderne Technologie untersetzten Fließbandverfahrens. 18 Nichtsdestoweniger betrachtete sich der Chirurg am Ende des 19. Jahrhunderts in gleichem Maße auch als singulärer Heros. Die 200 Betten seiner Klinik und die 15.000 poliklinischen neuaufgenommenen Patienten pro Jahr gestatteten von Bergmann, im Unterricht ein und dasselbe Krankheitsbild an 20 und mehr erkrankten Frauen und Männern gleichzeitig vorzuführen mit allen dazugehörigen Formen und Stadien. Das sollte der Student sehen und erfahren lernen zuzüglich des naturwissenschaftlich untersetzten Teils in Form der pathologisch-anatomischen Grundlagen jeder Krankheit an makroskopischem und mikroskopischem Material. 19 Das Beherrschen der wissenschaftlich-technischen Grundlagen der aseptischen Wundbehandlung — „Bakterienarretierung" und „antiseptischer Drill" hießen die Zauberworte — machte schließlich diese Chirurgie erst vollständig und rund. 20 Diese sehr dezidierten Bemühungen von Bergmanns drücken sich auch in den baulichen Veränderungen auf dem Gelände der Klinik während seiner Amtszeit aus. Zwar konnte er von Bernhard von Langenbeck den erst ein Jahr zuvor, 1881, von Schmieden konzipierten und fertiggestellten Klinikneubau übernehmen, doch reichte ihm der schon kurze Zeit später nicht mehr hin. In den 90er Jahren wird nicht nur auf Wunsch der Familie Langenbeck auf dem dazugekauften Grundstück Ziegelstraße 10/11 das Langenbeck-Haus als Tagungsort der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie errichtet, wichtiger scheinen mir für unsere Fragestellung die Schaffung eines aseptischen Operationssaales, einer septischen Diphtheriestation und der chirurgischen Poliklinik gewesen zu sein, wobei vielleicht der interessanteste Punkt davon ist, daß aus dem für die normale Krankenbetreuung genutzten AugustaPavillon die Diphtheriestation herausgenommen und abgetrennt in die obere Etage des Poliklinikneubaus verlegt wird. 21 Die ehemalige Diphtheriestation wird zu einem zweiten Operationssaal und — was nimmt es wunder — Räumen zur Desinfektion und Sterilisation umgebaut. 22 In der Amtszeit von August Bier sind keinerlei baulichen Veränderungen, Verbesserungen und Erweiterungen in der Ziegelstraße vorgenommen worden, obgleich die Zahl der Siehe hierzu Anson Rabinbach: The Human Motor. Energy, Fatigue, and the Origins of Modernity, Berkeley/Los Angeles 1990. Edith Heischkel: Die Entwicklung der klinischen Anstalten 1810—1933, in: Das Universitätsklinikum in Berlin. Seine Arzte und seine wissenschaftliche Leistung 1810—1933, hrsg. von Paul Diepgen und Paul Rostock, Leipzig 1939, S. 48. Wolfgang Genschorek: Wegbereiter der Chirurgie. Joseph Lister. Ernst von Bergmann, Leipzig 1984, S. 168, und Walter von Oeningen: Der erste Verband auf dem Schlachtfelde und die Bakterienarretierung, Centralblatt för Chirurgie 33 (1906), S. 362—364. Haesecke: Erweiterungsbau der chirurgischen Klinik in Berlin, Ziegelstraße 10/11, Klinisches Jahrbuch 4 (1892), S. 147—158, hier S. 150—152. Vgl. dazu auch V. Hirsch: Die Sterblichkeit in 2658 auf der Königl. chirurgischen Klinik behandelten Fällen von Diphtherie. Nach der Dissertation von V. Hirsch, Arbeiten aus der chirurgischen Klinik der Königlichen Universität Berlin, hrsg. von E. von Bergmann, T. 9, Berlin 1895, S. 56— 70. Heischkel (Anm. 19), S. 47.