Antall József szerk.: Orvostörténeti közlemények 125-132. (Budapest, 1989-1990)
KISEBB KÖZLEMÉNYEK, ELŐADÁSOK - STUDIES, LECTURES - Völker, Arina: Ungarn 1686 im Bericht des Halleschen Militärwundarztes Johann Dietz (1665-1738)
Der Faszination der Nachwelt konnten derartige Aufzeichnungen aber besonders dann sicher sein, wenn der Verfasser einer Autobiographie diese mit einer glaubhaften Zeitzeugenschaft zu verbinden verstand. Ein Manuskript wurde dadurch gleichsam zur Dokumentation; man konnte bzw. mußte dem (inzwischen meist längst verstorbenen) Autor abnehmen, daß er mit der Zurückhaltung seiner Niederschrift bzw. deren Vorlage in einem nur kleinen Kreise nicht an finanziellen Gewinn durch eine spektakuläre Buchpublikation gedacht hatte. Es gab andere, denen diese wirtschaftliche Komponente damals keineswegs gleichgültig war; autobiographisches bzw. halb-autobiographisches Material ließen sie dann gern in gedruckte und vielgelesene Editionen einfließen, die heute unter dem Begriff des Schelmenromans katalogisiert sind. Hierfür gibt es Beispiele auch der medizinischen Couleur. Genannt seien hier nur die wundärtzlichen Einflechtungen im 1696 verfaßten „Schelmuwsky" von Christian Reuter (1665—1712) und die medizinischen Details aus der „Felsenburg"-Robïmowââe des reisenden Wund- und Hofarztes Johann Gottfried Schnabel (1692— etwa 1750). 9 Mit Zeitzeugenschaft hatten Abhandlungen dieser Art nur* sehr bedingt zu tun. In der Kombination von Autobiographie und Zeitzeugenschaft schuf sich im ausgehenden 17. Jahrhundert eine neue medizinische Autorengruppe die Basis für ihre Dokumentationen. Zu Worte meldeten sich die mit Truppenkontingenten ins Feld und dabei vor allem auf die ost- und südosteuropäischen Kriegsschauplätze gezogenen Militärmediziner. Die ärztliche Versorgung, nicht zuletzt aber auch das Leid der Kranken und Verwundeten kam hierbei zur Sprache, das Auftreten von in Zentraleuropa bislang kaum bekannten Krankheiten und der Versuch, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten den grassierenden Lagerseuchen — darunter der lokalistisch so benannte Morbus Hungaricus 10 — Einhalt zu gebieten. Laienschilderungen über das Seuchenproblem im Feldlager und generell über das der Verwundetenversorgung hatte es auch schon vorher gegeben; man denke diesbezüglich nur an die Briefe des Wien-Befreiers Jan Sobieski, der seiner Frau wiederholt über dieses Problem berichtete. 11 Wenn nun aber außerdem ärztliches Wissen und ärztliche Erfahrung Einflechtung in die Feldberichterstattung fanden, dann summierten sich die Komponenten von Eigenerleben und Zeitgeschichte in einer Form, die auch dem Medizinhistoriker der Gegenwart noch etwas zu geben hat. Einer dieser militärärztlichen Berichterstatter vom südosteuropäischen Kriegsschauplatz des ausgehenden 17. Jahrhunderts war der hallesche Chirurg Johann Diet: (1665—1738), der im Verband der Kontingente der Heiligen Allianz in den antiosmanischen Feldzug zog und dabei 1686 die Erstürmung von Buda erlebte. Auf sein im hohen Alter verfaßtes und gleichsam als „Lebensbeichte" gedachtes Manuskript trifft der eitüeitend bereits vermerkte Gesichtspunkt zu, daß Dietz nicht die Absicht hatte, die liier gezogene Bilanz seines Berufslebens kommerziell zu vermarken. Die Niederschriften blieben in Familienbesitz und wurden später in der Berliner Staatsbibliothek deponiert. Man muß es heute als einen Glücksumstand ansehen, daß die Dietzsche Autobiographie 1919 in den Druck gehen konnte, 12 denn das Originalmanuskript ging in den Wirren des zweiten Weltkrieges verloren. Anhand der Druckform von 1919 konnte es aber 1964 zu einer Neuedition kommen, wobei der Zweitherausgeber das Buch offerierte als „minutiöse, mitunter gedrückte und — zumindest äußerlich —pietistisch beeinflußte Wiedergabe des talsächlich Erlebten aus der großen und kleinen Welt, das in vielen Passagen urkundlich zu belegen und zu überprüfen ist." 11 Diese sachlich richtige Konstatierung schließt nicht aus, daß Dietz — wohl bewußt — einige Textauflockerungen in seinen Bericht einfließen ließ, die man aus der Retrospektive heraus getrost als .Münchhausiaden" einordnen könnte. 14 Unbeschadet dieser kleinen Einschränkung handelt es sich bei J Schnaber, J.G.: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer etc.: Ha Iberstadt 1772. 10 Kaiser, W.: Morbus Hungaricus. Zahn-, Mund- u. Kieferheilkd. 65 (1977). S. 654—667. 11 Zeller, J. (Hrsg.): Jan Sobieski Briefe an die Königin Feldzug und Entsatz von Wien 1683. Berlin 1981. 12 Consentius, H. (Hrsg.): Meister Johann Dietz des großen Kurfürsten Feidscheer und Königlicher Hofbarbier. Ebenhausen bei München 1919. ;3 Böttcher, K. (Hrsg.): Die Lebensbeichte des Meisters Johann Dietz. Berlin 1964. 14 Kaiser, W.: Hallesche Mediziner als Zeitzeugen und Fachchronisten. I. Die Autobiographie des Wundarztes Johann Dietz (1665—1738). Z. gesamte Inn. Med. 44(1989). S. 518—524.