Antall József szerk.: Orvostörténeti közlemények 102-104. (Budapest, 1983)

TANULMÁNYOK - Környey István: Széchenyi István lelki alkata és elmebetegsége

leben" Schaffers Auffassung, tine Poelmik zwischen Historikern und Schaffer zeigte, dass bei den Vertretern der Geisteswissenschaften die psychologische Betrachtungsweise bedauernswert geringem Verständnis begegnete. Eine reichliche und zuverlässige Unterlage für die Beurteilung der psychischen Konstitution Széchenyis bieten seine Tagebuchaufzeichnungen, die er von seinem 23. Jahr an führte. In diesen sich zu orientieren ist es insofern nicht leicht, als die überwiegend in deutscher Sprache geführten Eintragungen meistens sehr kurz und oft schwer zu deuten sind. Trotzdem gehören die mehrere Bände umfassenden und vor etwa 50 Jahren in ihrer Gesamtheit publizierten Tagebücher in die Reihe der erschütterndsten menschlichen Dokumente. Sie stellen uns Széchenyi als schwer psychopathisch veranlagten, jedoch nicht an Geisteskrankheit leidenden Menschen dar. So kann man den Feststellungen Schaffers bezüglich der Konstitution Széchenyis bleibenden Wert zuerkennen. Fortwährend quälten Széchenyi hypochondrische Gedanken, Selbstverschuldung. Immer wiederkehrende Selbstmordgedanken sind umso beachtenswerter, als Széchenyi, wenn­gleich in dogmatischer Hinsicht skeptisch, jedoch ein gläubiger Katholik war. Sinnestäuschungen, Wahnideen — allgemein als charakteristisch anerkannte Symptome der Geisteskrankheit — sind bei Széchenyi nicht nachweisbar. Széchenyis hypochondrische Ideen und Selbstbeschuldigungen erreichen nie die Grenze, an der Zwangsgedanken und Wahnideen beginnen; seine Lebensverachtung und Selbstmordgedan­ken können nicht als Phobie sondern als existenzielle Angst im Sinne von Jaspers angesehen werden. Als ehrfurchtgebietende Manifestierung menschlicher Grösse beeindruckt uns, dass Széchenyi bei diesem qualvollen psychischen Hintergrund sich eine erstaunliche Bildung erwerben und einer ununterbrochenen vielseitigen Tätigkeit widmen konnte. Der Diagnose Melancholie widerspricht vollends das gänzliche Fehlen von Inaktivität. Széchenyis Genie kann aus seinen Ideen, seiner Aktivität und Wirkung auf die öffentliche Meinung ermessen werden. Wenn man die Originalität als wesentliches Zeichen der Genialität betrachtet, muss man feststellen, dass von seinen Ideen, die er in zahlreichen Schriften nieder­legte, nur wenige primär in seinem Gehirn entstanden waren. Viele waren seit Jahrzehnten Gegenstand von Erörterungen in der Literatur und im öffentlichen Leben. Seine Originalität bestand darin, ein sehr umfangreiches und wechselvolles Ideengeflecht einheitlich betrachten und schriftlich zusammenfassen zu können. Hierzu ist zu bemerken, dass der Ideenreichtum und die bei den Zykloiden so häufige Sprunghaftigkeit der Erörterungen seine Werke zu keinen leichten Lektüren machen. Trotzdem übte bereits sein erstes grösseres Buch einen gewaltigen Einfluss auf die öffentliche Meinung aus und blieb auch von den Regierungskreisen in Wien nicht unbeachtet. Széchenyis grosse suggestive Wirkung ergab sich nicht zuletzt daraus, dass er schon bei der Schilderung abgenützter Themen dank der individuellen Eigenart der Betrachtung und des Stils den Eindruck einer grossen und selbständigen Persönlichkeit macht. Man muss fragen, ob er zu all seinen Leistungen, und in dieser Form, ohne die selbstquälende psychopathi­-sche Veranlagung imstande gewesen wäre. Wohl können wir ihn als Beispiel anführen, wie sehr Psychopathie Leistungen fördern kann. Széchenyis Einfluss auf das öffentliche Leben verlor in den 1840-er Jahren an Intensität, und die allgemeine Einstellung wich immer mehr in die radikale revolutionäre Richtung ab. Die Ereignisse des Frühlings 1848 nach der Pariser Revolution und der Bildung des ersten ungarischen verantwortlichen Kabinetts, in dem Széchenyi den Posten des Ministers für Verkehrsangelegen­heiten annahm, erweckten in ihm zunehmende Befürchtungen hinsichtlich der künftigen Ent­wicklung, die übrigens bei ihm schon vor Jahren auftraten und auch in den gemässigten Kreisen der ungarischen Gesellschaft ziemlich verbreitet waren. Széchenyis Psychose im Herbst des Jahres 1848 bestand in einem starken Erregungszustand mit Zerfall der Gedankenführung, und man kann sie als psychogene Psychose auffassen. Leider sind die Unterlagen über ihren Verlauf sehr mangelhaft. In den ersten Monaten quälte ihn Selbstbeschuldigung, jedoch lassen sich dabei neue Wahnideen nicht nachweisen. Immer kehrten die Selbstvorwürfe wieder, die bei ihm schon vor Jahren auftauchten, nämlich dass er Ungarn in die revolutionäre Katastrophe durch seinen Auftritt und seine Anregung der Reformbewe-

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