Antall József szerk.: Orvostörténeti közlemények 102-104. (Budapest, 1983)

TANULMÁNYOK - Környey István: Széchenyi István lelki alkata és elmebetegsége

gungen stürzte. Seit vielen Jahren zurückkehrende, mit den aktuellen Ereignissen aber in gar keinen Zusammenhang stehende andere Selbstbeschuldigungen erschüttern uns in einigen Briefen von 1849. So viel geht aus den Dokumenten hervor, dass er nach etwa zwei Jahren ruhiger wurde, jedoch sich zunächst nicht geistig beschäftigte und kaum auch Besuche empfing. Erst im Jahre 1853 begann er Angehörige und private und politische Freunde gern zu sehen. Seine Bekannten und Ärzte wiederholen, dass seine Urteilsfähigkeit und vor allem sein Gedächtnis in keiner Hinsicht beeinträchtigt waren. Im Frühling 1857 nahm er die Tagebuchführung wieder auf, deren Stil gänzlich dem der vor seiner Krankheit geführten Aufzeichnungen gleicht. Entscheidend wirkten auf Széchenyi die politischen Ereignisse der späten 1850-er Jahre. Die damaligen Verhältnisse der Habsburg-Monarchie gaben ihm die Feder in die Hand, und er verfasste eine umfangreiche satirische Schrift, die man Jahrzehnte später, als das Material des Hof- und Staatsarchivs der Forschung zugänglich wurde, in einem etwa 700 Seiten umfassenden Band veröffentlicht hat. Diese Schrift zeugt von einer guten Orientierung über die Verhältnisse und von scharfem Urteilsvermögen. Dabei ist der Stil dermassen ironisch, ja drastisch, dass Széchenyi es damals sicher nicht für die Publizität gedacht hat. Anlass für ihn wieder in einer grösseren Schrift vor die Öffentlichkeit zu treten, bot sich als der führende Politiker Alexander Bach über die vermeintlichen Erfolge seines Systems in Ungarn das kleine Werk „Rückblick" usw. publizieren Hess. Széchenyi fing gleich an — zum Teil unter Verwertung des sozusagen für private Zwecke gedachten grossen Materials ein Buch zusammanzustellen, welches dann „Blick auf den anonymen Rückblick" usw. betitelt veröffentlicht wurde. Die für seine früheren Arbeiten charakteristische tiefe Empfindung und scharfe Ironie erreichen in diesem Buch die Grenze des überhaupt Druckbaren. Das Buch ist so geistreich, dass es die Würdigung der internationalen satirischen Literatur verdienen würde. Da es unter dem Absolutismus unmöglich war, ein solches Buch im Inland zu veröffentlichen, wurde es in London gedruckt. Trotzdem kamen heimlich auffallend viele Exemplare in die Monarchie herein. Dieser weitere Vorgang des psychischen Lebens Széchenyis enthält keine neuen Züge, aber die vorher schon manifestierten Abweichungen treten verschärft zutage. War es bereits früher er­staunlich, wie er sich mit den verschiedensten Angelegenheiten gleichzeitig befassen konnte und wie wechselvoll seine tägliche Tätigkeit war, so muss man feststellen, dass in dieser späten Epoche sein Verhalten zumindest die Grenze der Hypomanie erreichte. Eine der in der Literatur meister­örteten Fragen war, weshalb Széchenyi die Döblinger Anstalt 12 Jahre nicht verliess, ob er während dieser Zeit geisteskrank war, oder nicht. Schaffer war der Ansicht, dass er schon von etwa 1853 an im Besitz seiner geistigen Fähigkeiten war; dagegen vertraten einige Historiker die Meinung, er wäre geisteskrank geblieben. Die uns zur Verfügung stehenden Unterlagen erlauben den Schluss, dass nicht nur die Psychose abgeklungen war, sondern sie als solche keine Reste hinterliess. Széchenyis Verbleiben in Döbling kann wahrscheinlich dadurch erklärt werden, dass er seine klandestine Tätigkeit ausserhalb der Anstalt nicht hätte entfalten können. Man dachte natürlich vor allem an die Sicherung gegen politische Unannemlichkeiten,an Angst davor, dass er eventuell zur Verantwortung gezogen werden könnte. Am wahrscheinlichsten erscheint jedoch, dass er gerade die Verbindungen mit seinen politischen Freunden, die Abfassung und Veröffentlichung seiner Schriften nur in der Anstalt für möglich hielt; hätte er diese verlassen, so hätten ihn die Behörden sicher bald verdächtigt. Besonders wichtig ist die Beurteilung des Selbstmordes von Széchenyi. In seinen letzten Lebens­wochen traten die Behörden in Aktivität und führten bei ihm und einigen Familienmitgliedern, Ärzten und Freunden Hausdurchsuchungen aus. Der Polizeiminister Thierry richteten an ihn einen Brief, in dem er sich zweideutig ausdrückte: „Das von Ihnen. .. gewählte Asyl, hat längst ein solches zu sein, aufgehört." Man kann also annehmen, dass Széchenyis entscheidenden Schritt diese Vexationen veranlassten, ohne dass es nötig wäre, einen Rückfall in die Geistes­krankheit anzunehmen. I. KÖRNYEY, M.D. Prof. em. Member of the HAS, Psychiatrist Budapest, Vöröshadsereg útja 116, Hungary, H-1021

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