Antall József szerk.: Orvostörténeti közlemények 93-96. (Budapest, 1981)
TANULMÁNYOK AZ ÓKORI MEDICINA KÖRÉBŐL - Harig, Georg: Az antik orvosi deontológia társadalmi vonatkozásai (német nyelven)
Entschließt man sich dagegen, den Eid mit seinen deontologischen Auffassungen als ein historisches Dokument zu betrachten, d.h. als konkreten Ausdruck von Vorstellungen, die sich in einer bestimmten historischen Situation herausgebildet haben, und entscheidet man sich zu dem Versuch, die Bedeutung der hippokratischen Déontologie aus dieser Tatsache herzuleiten, so erwächst daraus die Aufgabe, den geistes- und sozialgeschichtlichen Hintergrund zu bestimmen, der die Entstehung derartiger Grundsätze möglich gemacht hat. Das ist, wie nach dem Gesagten nicht anders zu erwarten, schon häufig unter den verschiedensten Aspekten geschehen. Bezeichnenderweise haben jedoch alle diese Untersuchungen eines gemeinsam: sie behandeln die deontologischen Grundsätze des Eides insofern als isoliertes Phänomen innerhalb des Corpus Hippocraticum, als sie die Frage nach der möglichen Übereinstimmung zwischen diesen Grundsätzen und der hippokratischen Medizin weitgehend ausklammern; mit anderen Worten, sie betrachten die Déontologie des Eides als Ausnahmeerscheinung in der Heilkunde der Hippokratiker, stellen die Gegensätzlichkeit zwischen der „utilitaristischen" Haltung der hippokratischen Ärzte auf der einen und den ethischen Forderungen des Eides auf der anderen Seite heraus und lassen somit auch die durchaus berechtigte Überlegung außer acht, daß die Zusammenstellung des Corpus im hellenistischen Alexandria nicht unbedingt nur vom Zufall bestimmt gewesen sein muß, sondern auch gewisse Schultraditionen berücksichtigt haben kann. 2 Ein solches Vorgehen ist in den Arbeiten von K. Deichgräber, L. Edelstein und F. Kudlien zu beobachten, die in neuerer Zeit die Diskussion zu diesem Thema wieder in Gang gebracht und deren Richtung und Inhalt bestimmt haben. 3 Alle diese Autoren gehen bei ihrer Interpretation des Eides und der in ihm enthaltenen deontologischen Grundsätze gemeinsam von folgenden fünf Voraussetzungen und Überlegungen aus: (1) Sie stimmen zunächst darin überein, daß es sich bei dem Eid um ein Dokument aus dem 5. bzw. 4. Jahrh. handelt. 4 (2) Sie legen ihrer Deutung weiter die Tatsache zugrunde, daß er in der antiken Literatur erst in der frühen Kaiserzeit bei Scribonius Largus Erwähnung findet. 0 (3) Die sich für sie aus dieser langen Schweigeperiode von etwa 600 Jahren fernerhin ergebende Überlegung von der Sonderstellung des Eides — eine Überlegung, die durch die 2 Vgl. den Hinweis von H. Diller, Forschungsgeschichtliches Nachwort zu L. Edelstein, Der hippokratische Eid (Zürich und Stuttgart 1969), S. 98 (= H. Diller, Kleine Schriften zur antiken Medizin, hrsg. von G. Baader und H. Grensemann, Berlin —New York 1973, S. 265 [Ars Medica II 3]). 3 K. Deichgräber, Die ärztliche Standesethik des hippokratischen Eides, Quell. Stud. Gesch. Nat. Med. 3,2 (1932), 29—49 und Der hippokratische Eid, Stuttgart 1955; L. Edelstein, The Hippocratic Oath. Text, Translation and Interpretation, Bull. Hist. Med., Suppl. No. 1, Baltimore 1943 (= Ancient Medicine. Selected Papers of Ludwig Edelstein, ed. by O. and C. L. Temkin, Baltimore 1967, p. 3—63 = Eid, Zürich und Stuttgart 1969) und F. Kudlien, Medical Ethics and Popular Ethics in Greece and Rome, Clio med. 5 (1970). 91—121, bes. 107—111. Im einzelnen s. zu diesen Arbeiten Philologus 122 (1978), 159—162. 4 K. Deichgräber nimmt als Entstehungszeit des Eides das letzte Drittel des 5. Jahrh. (Standesethik, 34) bzw. das Jahrzehnt um 400 (Eid, S.23) an. F. Kudlien spricht vom 5. Jahrh. als der Zeit, in der die im Eid diskutierten Probleme behandelt wurden (92—94). Die von L. Edelstein vorgeschlagene Datierung in die 2. Hälfte bzw. in den Ausgang des 4. Jahrh. (Oath, p. 55 = Selected Papers, p. 55 = Eid, S. 50) ist allgemein zurückgewiesen worden. Man neigt in der Forschung zu einem Ansatz im ausgehenden 5. oder in der 1. Hälfte des 4. Jahrh. (vgl. H. Diller, Nachwort, S. 98 = Kleine Schriften, S. 264f.). 5 Zur Interpretation des Eides bei Scribonius Largus s. K. Deichgräber, Professio medici. Zum Vorwort des Scribonius Largus, Akad. Wiss. Lit. (Mainz), Abh. d. geistes- undsozialwiss . Kl, Jg. 1950, Nr. 9, S. 8f.